kultuRRevolution | mediale sichtbarkeiten – mediale blicke
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Jürgen Link
Wenn das Normale nur noch in Gänsefüßchen erscheint. Thesen zum aktual­ge­schichtlichen Moment Ende 2005 / Der Notstand ist nicht normal: Eine Antwort an Dietmar Dath.

Jürgen Link
Der Kampf der Fackel mit den Mediendispositiven: ein Zweifrontenkrieg
gegen alten und neuen Normalismus.

Karin Bruns
Randfiguren: Der neue Independent Film als ästhetische Position des Widerstands?

Michael Niehaus
Aussagen sehen. Einfältige Gedanken zur Zweideutigkeit der Rückblende.

Gerd Katthage
Alles Kino. Ein lyrischer Medialisierungs- Check für Schüler (Klasse 9/10).

Henning Wrage
»Fernsehen heißt: dabei sein«.
Zu Medien- und Programmgeschichte des Fernsehens am Beispiel des Deutschen Fernsehfunks.

Sabine Maasen
Gibt es den freien Willen? Eine Debatte im Feuilleton.

Torsten Mayerhauser
Armut neu gesehen?
Armutsbilder im Koordinatensystem von Normalismus und Gouvernementalität.

Dirk Verdicchio
Finanzökonomie im Film: Monstrosität als Inklusionsmodus.

Jürgen Link
»Und wirft ihn unter den Hufschlag seiner Pferde« – Schillers Symbolik des Krieges.

Dirk de Geest
Systemtheorie und Diskursivität.

Jürgen Link
Was versteht Michel Pêcheux genau unter Interdiskurs?
Eine Antwort an Rainer Diaz-Bone.

Die Beiträge dieser Nummer 50 (!) von kRR beschäftigen sich in verschiedener Form mit unterschiedlichen Aspekten medialer Sichtbarkeiten bzw. medialer Blicke. Eine erste Gruppe ist dabei eher an filmischen Genres ausgerichtet und erschließt über die jeweiligen analytischen Fragestellungen hinaus neue mediale Korpora auch für die Verwendung in Schule und Uni.
Karin Bruns nimmt die für die letzten zehn Jahre auffallende Beschäftigung des Kinos mit Jugendlichen und ihrer Alltagskultur in den Blick. So heterogen semantisierte Helden und Heldinnen wie Lola, Billy Eliot, Spiderman oder Donnie Darko markieren eine Ästhetisierung von Randfiguren, für die – ganz wie in den populären TV-Formaten – die Symbolik des Übergangs (kindlich/adult, männlich/weiblich, Durchschnitts­mensch/Star usw.) charakteristisch ist. Zugleich werden in diesen Filmen materialästhetische, dramaturgische und narrative Strukturen adaptiert, die anderen Medien und Formaten wie Clip, Computerspiel, Comic/Manga oder Martial-Art Filmen vom Typ Kill Bill zu Eigen sind. Bietet das Independent-Kino auf diese Weise neue und für Jugendliche attraktive Subjektfacetten an? Michael Niehaus reflektiert Funktion und theoretischen Status der Rückblende am Beispiel von Hitchcocks Stage Fright, den Verfahren der Wahrheitsfindung in Gerichtsfilmen und Kurosawas Rashomoon. Gerd Katthage stellt ein Unterrichtsmodell zur Förderung transmedialer Kom­pe­tenzen vor, bei dem es um Film-Gedichte von Bernard Lassahn, Wolf Wondraschek, Steffen Mensching, Beat Brechbühl und Eckard Sinzig geht. Die Text-Film-Konkurrenz kommt dabei auf zwei Ebenen ins Spiel: einmal indem die Gedichte diejenige Interaktivität erfüllen, die Filme in der Regel vermissen lassen, also dazu auffordern einen Film im Kopf oder »Film in Worten« (Brinkmann) ablaufen zu lassen, zum anderen, indem die Gedichte filmische Rezeptionserfahrungen (und damit den Unterschied von Film und Wirklichkeit) reflektieren. Damit argumentiert Katthage gegen eine ›Claim‹-Aufteilung in Literatur, Sprache und ›technische‹ Medien und für einen kulturwissenschaftlich erweiterten integrativen Deutschunterricht. Wie die Literaturgeschichte für Texte, so stellt die Mediengeschichts­schreibung für die Interpretation von Film- und Fernsehproduktionen einen ganz wesentlichen Bezugspunkt dar. Während die historische Dimension für die Textbetrachtung selbstverständlicher und nicht legitimationsbedürftiger Bestand­teil ist, stellen mediengeschichtliche Längsschnitte jedoch noch die Ausnahme dar. Das gilt selbst für die allerjüngste Zeitgeschichte und verschärft das DDR-Fernsehen, das sich mit den 1960er-Jahren zu einer professionell arbeitenden Institution mit regelmäßigem Programmangebot entwickelte. Der Beitrag von Henning Wrage versucht, die Geschichte und die Struktur des DDR-Fernsehens in ihrer Bedeutung für die Analyse von Fernsehfilmen an konkreten Beispielen zu verdeutlichen.
Eine zweite Gruppe von Beiträgen im Schwerpunkt ›mediale Blicke‹ basiert auf Vorträgen des internationalen Bielefelder Workshops »Inspiration, Instruktion, Irritation – Analysen massenmedialer Diskurse mit Foucault« im Juli 2005, der gemeinsam von dem Bielefelder Graduiertenkolleg »Auf dem Weg in die Wissensgesellschaft« und dem Programm für Wissenschaftsforschung der Universität Basel veranstaltet wurde. Allen diesen Beiträgen ist gemeinsam, sich theoretisch gleichermaßen an Luhmann wie auch an Foucault zu orientieren, sodass sie zumindest indirekt auch als Fortsetzung unserer Foucault/Luhmann-Debatte aus Nr. 45/46 und 47 gelesen werden können: Sabine Maasen geht dem Aufstieg der Neurowissenschaften als neuem Metadiskurs am Beispiel der Feuilleton-Debatten zur Frage ›Gibt es den freien Willen?‹ nach; Torsten Mayerhauser analysiert eine Plakatkampagne der Schweizer Winterhilfe gegen Armut, wobei sich vor allem die Frage der Darstellbarkeit von Kinderarmut bei gleichzeitiger Tabuisierung des kindlichen Akteurs stellt. Auch eine Frage der Undarstellbarkeit (aber gerade keine aufgrund der Tabuisierung des Sujets) verfolgt Dirk Verdicchio. Lassen sich die komplexen Prozessabläufe der Finanzökonomie und speziell die der Börse unter den Bedingungen der filmischen Maßgabe einer überschaubaren und letztlich interaktionistisch handelnden Personenkonfiguration überhaupt darstellen? Verdicchios These ist die einer aus genau diesem Dilemma resultierenden Monströsität derjenigen Charaktere, die der Börse ›verfallen‹ sind. So zugespitzt, ist die Problematik gar nicht so neu, denn: Was macht dann noch den Unterschied zwischen Akteuren der Finanzökonomie und den schon bei Kotzebue und Iffland ganz ähnlich ›mutierenden‹ Glücksspielerfiguren aus? Ganz ähnlich wäre an die Opposition von ›raffendem vs. schaffendem Kapital‹ zu erinnern.
»Systemtheorie und Diskursivität« sind auch für Dirk de Geests Überlegungen zur Literatur und Literaturkritik in Flandern (Belgien) während des Zweiten Weltkriegs die theoretischen Eckpfeiler. Mittels dieser beiden Ansätze sei es zunächst einmal möglich, die auf Kanons aus mit sich identischen Autoren gestützte Literaturgeschichte zu überwinden, die z.B. im Falle Belgiens unter deutscher Besetzung zu einer schematischen Binarisierung von Resistenz vs. Kollaboration geführt habe. Demgegenüber würden System- und Diskurstheorie das breite Spektrum diskursiver Ereignisse (diskurstheoretisch gesprochen) erschließen können. Allerdings müsse auch der Binarismus der luhmannschen Systemtheorie differenziert werden, wofür de Geest eine originelle Kombination von Foucault und Greimas (semiotisches Quadrat) vorschlägt, die dann am Beispiel der flämischen Literatur im 2. Weltkrieg konkretisiert wird.
Die Frühgeschichte des Begriffs »Interdiskurs« beleuchtet Jürgen Link in seiner Replik auf Rainer Diaz-Bone. (Die zwei Vorträge über Schiller und Kraus wenden die Interdiskurs-Theorie historisch.)

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