„elitesoldaten“ plus „gezielte tötungen“ plus „verhältnismäßige kollateralschäden“ plus „luftschläge“ = „humanitäres völkerrecht“??

10. Feb 2010 / Der Eiertanz um den deutschen Afghanistankrieg wird frenetisch: Seit die NATO mit Zustimmung der deutschen Regierung und aktiver Beteiligung der Bundeswehr für 2010 eine Eskalation ohne Wenn und Aber mit dem Ziel der „Eliminierung“ aller „Insurgents“ (bzw. „Taliban“) eingeleitet hat, ist die Diskursblase „Stabilisierungsmission“ geplatzt. Es ist ein Krieg (was längst alle wussten) – aber was für einer? Ein „nicht internationaler bewaffneter Konflikt“ (anders gesagt „Bürgerkrieg“) – aber wieso ist die Bundeswehr in Afghanistan „nicht international“ – also „national“?? Also lässt Guido das „nicht international“ einfach weg und sagt: „bewaffneter Konflikt im Sinne des Völkerrechts“.

Aber auch so kommt die Bundeswehr nicht aus dem Schneider: Denn des Pudels Kern (bekanntlich der Teufel: siehe Faust) ist nun einmal (was beim Massaker von Yakob Baj exemplarisch klar wurde): Die gesamte Afghanistan-Strategie der NATO (und damit auch der Bundeswehr) steht im Dienste ihrer strategischen Speerspitze, und die lautet: „Elitesoldaten“ plus „gezielte Tötungen“ plus „verhältnismäßige Kollateralschäden“ plus „Luftschläge“. Nach dieser Formel funktionierte auch Yakob Baj: Das KSK hatte unter lauter Decknamen und mithilfe eines anonymen „Informanten“ „Talibanführer“ ausgemacht. Die sollten nach der Regel „capture or kill“ „eliminiert“ werden (wobei das „capture“ bloße Augenwischerei ist, da man mit Luftangriffen nicht gefangen nehmen kann). Oberst Klein wurde nicht etwa ausgetrickst – er spielte begeistert mit, worin sich zeigt, dass eben die Speerspitze „Elite“ und der Stiel „ISAF“ einen einheitlichen Speer bilden. KSK und Klein hielten die erwartbaren „Kollateralschäden“ (das zivile „Humanmaterial“, wie es in dem berühmten Feldjägerbericht hieß) für „verhältnismäßig“.

(Die Rolle des KSK wird jetzt als angeblich ganz neue Sensation verkauft: Sie ist ein alter Hut: siehe „Zeit“ vom 17.12.2009.)

Die Bundeswehr vollzog bei Yakob Baj nur nach, was die ständige Praxis der Eliteeinheiten der USA und des UK ist und was die große Eskalationsschlacht in Afghanistan 2010 bestimmen wird. Die gerade in der Provinz Helmand gegen die Stadt Mardscha gestartete Großoffensive zeigt das Verfahren: Flugblätter fordern die Bevölkerung auf, die Stadt bzw. Gegend zu verlassen. Die Taliban nehmen die Bevölkerung angeblich als Geiseln und hindern sie an der Flucht. Daraus geht klar hervor, dass der erste Schritt darin besteht, nach dem Vorbild Vietnam eine „free fire zone“ d.h. vor allem „free bombing zone“, herzustellen, in der dann die „gezielte Tötung“ sich frei entfalten kann (die Kollateralschäden sind dann vor vornherein „verhältnismäßig“, da ja auf Flugblättern gewarnt wurde).

Nur: Mit noch so frenetischen Eiertänzen kommen Bundesregierung und Bundeswehr nicht aus dem Schneider: Entweder sind die als  Taliban bezeichneten Individuen „Kombattanten“, dann müssen sie klar als solche erkennbar und von Zivilisten unterscheidbar sein (was in einem Guerillakrieg nicht möglich ist) – oder sie sind Terroristen, d.h. (mutmaßliche) Kriminelle – dann dürfen sie auf keinen Fall auf bloße Denunziation hin ohne Anklage, Prozess und Urteil einfach präventiv „eliminiert“ werden. Genau das werden sie aber. Und dieser exterministischen Praxis werden zugegebenermaßen alle sich in der Nähe befindlichen „Unschuldigen“ ebenfalls als „verhältnismäßig“ geopfert. Das soll „humanitäres Volkerrecht“ sein?

In Vietnam hieß dieses Verfahren: das Wasser mit dem Fisch eliminieren, soweit man es nicht ablassen kann (Weiterverarbeitung der Guerillaregel „Fisch im Wasser“). Das führte in Vietnam dazu, dass immer mehr Wasser zu Fisch wurde. Es lässt sich prognostizieren: Das wird sogar die Taliban und andere Insurgents in Afghanistan kurz- und mittelfristig stärken (und sei es wegen der Gleichsetzung von Paschtunen und „Taliban“ auf beiden Seiten sowie der traditionalen Verpflichtungen der Clans zur Vergeltung).

Fazit: Dieser Krieg stinkt vom Kopfe („Speerspitze“) her. Fazit: Die Bundeswehr muss aufgefordert werden, „umgehend“ abzuziehen, wie in dem Appell „Heraus aus der Sackgasse in Afghanistan“ gefordert  – „Exit mit open end“ heißt Tolerierung einer strukturell exterministischen Strategie, wodurch nicht nur viele Unschuldige umkommen, sondern sogar die Insurgents kurz- und mittelfristig gestärkt statt geschwächt werden.

Ja aber Gnade uns Gott wenn die Taliban… Nach einer Anti-Eskalationserklärung der Bundeswehr mit Waffenstillstand und Einleitung des Abzugs könnte der notwendige Schutz bedrohter Gebiete z.B. nach dem Vorschlag von Johan Galtung durch starke Blauhelmeinheiten der OIC (Organization of Islamic Countries) in Zusammenarbeit mit der UNO gewährleistet werden (im Vorfeld einer neuen Friedenskonferenz ohne westliche Großmächte und unter Beteiligung aller relevanten afghanischen Bevölkerungsgruppen).

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