15 Feb für griechenlandfreunde: „anteil der kultur an der versenkung griechenlands“ erschienen
15. Feb 2016 / Im Würzburger Verlag Königshausen und Neumann ist gerade mein neues Buch zur deutsch-griechischen Eskalation erschienen: Jürgen Link, „Anteil der Kultur an der Versenkung Griechenlands. Von Hölderlins Deutschenschelte zu Schäubles Griechenschelte“. Dieses Buch bricht mit der akademischen Normalität, derzufolge Kultur Kultur ist und Politik Politik, und also beides nicht gemischt werden darf. Und nun gar Hölderlin und die aktuelle Versenkung Griechenlands in eine niedrigere Normalitätsklasse!
Es gehört keine Prophetengabe dazu, um das Jahr 2015 als große Zäsur in der neuesten Geschichte Deutschlands zu begreifen. Die sich schon länger vorbereitende Rolle als „Zentralmacht“ (Herfried Münkler) kam in diesem Jahre zum globalen Durchbruch. Dabei bestand 2015 aus zwei Hälften: der spektakulären „Flüchtlingskrise“ in der zweiten und der Niederzwingung einer lange Zeit unbotmäßigen griechischen Regierung in der ersten, um die es in diesem Buch geht. Indem nach der kulturellen Dimension der deutsch-griechischen Konfrontation gefragt wird, wird der enge finanziell-technokratische Rahmen, wie er im Finanzminister Schäuble personifiziert war, gesprengt. Als Tiefenstruktur des Konflikts erweist sich ein Streit um „Normalitäten“ und um „Normalitätsklassen“. Die Übermächtigung wurde auf deutscher Seite medial als „pädagogischer“ Prozess einer „Normalisierung“ durch erzwungene „Hausaufgaben“ dargestellt. Medien und Normalitäten erweisen sich als Schlüssel zur kulturellen Dimension, die zu den „Nationalcharakteren“ führt und weiter zu Hölderlin und seinem Verhältnis nicht nur zu Alt-, sondern gerade auch zu Neugriechenland. Ist doch Hölderlins Held Hyperion kein Alt-, sondern ein Neugrieche, der mit seiner bis heute tabuierten „Deutschenschelte“ eine noch immer relevante Kritik an der deutschen unpolitischen „Fachidiotie“ übt.
In diesem Buch wird gezeigt, dass Hölderlin eben kein „Karl May der Antikenverehrung“ war, wie der große Griechenland-Schwerpunkt des SPIEGELs vom 11. Juli 2015 (nach der Volksabstimmung) behauptete, sondern dass sein gegenüber Goethe und Schiller abweichendes Bild von Griechenland daher kam, dass es ihm um mögliche Aktualisierungen ging: darunter die des „Dionysischen“ mit ihrer politischen Dimension der direkten Volldemokratie. Wenn Hölderlin sich in Hyperion mit einem neugriechischen Revolutionär identifizierte, der nach einem gescheiterten Aufstand (dabei ist die Französische Revolution konnotiert) nach Deutschland flüchten muss, so deshalb, weil er selbst vom entstehenden Normalismus als Anormaler ausgeschlossen wurde bis zum „Wahnsinn“. Schäubles Ideal ist die berühmte „schwäbische Hausfrau“ mit ihrer Pfennigfuchserei und ihren „Hausaufgaben“ – Hölderlins Mutter war eine solche realexistierende schwäbische Hausfrau, die ihm sein Erbe vorenthielt und ihn zwingen wollte, Pfarrer zu werden.
Dennoch scheinen Hölderlins Bild von Neugriechenland und die aktuelle Zwangsnormalisierung Griechenlands „zwei Hüte“ zu sein? Wen die harte Montage von beidem dennoch neugierig macht, der lese das Buch. Dazu müsste er (oder sie) es kaufen: über den Buchhandel, einschließlich des internetbasierten.