gabriel schafft´s: nun also doch „niwis“.

24. Sep 2010 / In den Zukunftssimulationen des Romans „Bangemachen gilt nicht auf der Suche nach der Roten Ruhr-Armee“ (assoverlag Oberhausen) gibt es „Iwis“ („Integrationswillige“) und „Niwis“ („Nicht-Integrationswillige“), mit entsprechenden Einträgen in ihre Pässe, die sie bei sich zu führen verpflichtet sind. Darum herum entwickeln sich satirisch-lustige und gleichzeitig möglichst realistische „Zwillingsgeschichten“ (in denen ein weibliches Zwillingspaar für Wirbel sorgt). Als der von allen Medien hochgepushte Abschaff-Bestseller alle „Volksparteien“ umgehend dazu „zwang“, die „Abschaffung der Parallelgesellschaften“ noch auf die Schnelle zum wichtigsten Punkt ihrer jeweiligen Agenda 2010 zu erheben, sah es zunächst so aus, als ob die Simulation des Romans zwar inhaltlich, nicht aber ganz in der Formulierung verifiziert sei: Die neuen Reizwörter hießen „I-V“ („Integrations-Verweigerer“, mit Anklang an „Kriegsdienst-Verweigerer“) und „I-M“ („Integrations-Muffel“).

Nun hat aber SPD-Chef Gabriel die Simulation doch noch auch formal verifiziert: Am 20.9. erklärte er in der Tagesschau, „Integrationsunwillige“ müssten mit „Sanktionen“ rechnen und sollten, falls sie nicht reagierten, „abgeschoben“ werden. Dass diese „Abschaffung“ haargenau das Programm des Abschaff-Bestsellers darstellt (bloß ohne die ethnogenetische Begründungs-Theorie), fiel sogar der Bundesjustizministerin auf. Jedenfalls: Semantisch ist die Vorsilbe „un-“ im Deutschen äquivalent mit der Negation, also mit „nicht“. Da haben wir also doch noch unsere „Niwis“.

[Zusatz: JETZT AUCH 100% WÖRTLICH „NIWIS“:

Am 27.9.2010 meldet die Watz vom SPD-Parteitag: „In der SPD wird die Forderung lauter, NICHT INTEGRATIONSWILLIGE Zuwanderer mit SANKTIONEN zu belegen.“ ]

Jetzt braucht es bloß noch weibliche Zwillinge bzw. deren diskurspartisanenhaftes Äquivalent, um daraus auch eine glückliche Realsatire zu machen. Dazu wiederum braucht es eine entsprechende Subjektivität – und die kommt ganz von selbst beim Lesen der „Vorerinnerung“. Der Roman ist weder „zu dick“ (Dan Brown & Co. gehen mit ihren jeweils an die 1000 Seiten massenweise über die Ladentische) noch „zu schwer“ (man kann z.B. einfach mit einzelnen Zwillingsgeschichten anfangen), noch gar „zu teuer“ (29,90 €). Gerüchteweise sollen „Schachtelsätze“ drin vorkommen – nicht in den Zwillingsgeschichten, und wenn schon: Daniel Kehlmann verdankt seinen Erfolg doch auch der Tatsache, dass er seinen Leserinnen nach 20 Jahren Popliteratur mit Minisätzeslang mal wieder den Konjunktiv der indirekten Rede und ein paar syntaktische Schachtelungen zumutet. Das scheint bei diesen (seinen Leserinnen) gut anzukommen. „Aber in der Vorerinnerung büxt das Subjektive und Poetische immer wieder ins Politischer aus!“ Nun ja, das ist nicht zu leugnen.

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