„mauerfall“ in ägypten? historische analogien und kollektivsymbolik der revolution

13. Feb 2011 / Wer hat eigentlich zuerst die ägyptische Revolution mit dem „Mauerfall“ in Deutschland 1989 verglichen? Inzwischen proliferiert diese historische Analogie in den westlichen Medien. Es ist ein Beispiel für die Macht der Diskurse und insbesondere der Kollektivsymbole. Sie sind immer mehrdeutig und ambivalent – dieses aber besonders. Gemeint ist es als Metapher: die (metaphorische) „Mauer“ der ägyptischen Diktatur ist eingestürzt. Es ist aber auch eine Metonymie bzw. Synekdoche (Teil fürs Ganze): Eine paradoxe, aber wirkliche „Mauer“ aus Wasser (das Mittelmeer) trennt die arme Süd- von der reichen Nordküste. Schon droht eine „Flut“ afrikanischer Flüchtlinge den „Mauerfall“ zu nutzen und über (zunächst) Tunesien Italien und die EU zu erreichen. Dabei erweist sich drastisch, weshalb die EU-Mächte (und besonders Deutschland) die nordafrikanischen Diktatoren auch brauch(t)en: Um die afrikanischen Flüchtlinge abzuschotten – anders gesagt, um „unserer“ Polizei die „Drecksarbeit abzunehmen.“ Touristen frei über die Mauer nach Süden ja – Habenichtse nach Norden nein. In diesem Kontext waren (sind) die Diktaturen also eine Kombination aus metaphorischer, metonymischer und praktischer Mauer – praktisch insbesondere als Mauer aus Panzern.

1989 ergoss sich eine Auto-Flut aus der DDR nach Westen (symbolisch gesagt: „strömte durch die Mauerbresche“). Auch in Ägypten spielt der freie Autoverkehr als Symbol von „Normalität“ und „Normalisierung“ eine große symbolische Rolle. Als heute (13.2.) die Armee begann, gewaltsam den Tahrir-Platz von Barrikaden und Zeltstädten zu räumen,  wollte sie – wie sie sagte – zuerst wieder den Autos die „freie“ Durchfahrt durch den Platz eröffnen. Hier sollte also die Revolution selbst als symbolische „Mauer“ gelesen werden, die von der Armee zu „öffnen“ sei, um „Normalität“ wiederherzustellen.

Ein anderes hochgradig symbolisches Ereignis ging im westlichen mediopolitischen Diskurs total unter: Am entscheidenden Freitag (11.2.) endete ein stundenlanges gespanntes Gegenüber zwischen Demonstranten und den Panzern der Armee vor dem Präsidentenpalast und dem Staatsfernsehen, das jeden Augenblick zum Blutbad wie auf dem Tien An-men hätte führen können, damit, dass die Soldaten die Kanonen ihrer Panzer zur Seite drehten. Diese Drehung war vielleicht der entscheidende Augenblick der ersten Phase der Revolution.

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