15 Nov münkler als ideologe
15. Nov 2016 / In dem Interview mit dem schweizerischen Tages-Anzeiger vom 11.11., das Jürgen Link in seinem letzten Beitrag schon weitgehend auseinandergenommen hat, rekurriert Münkler ziemlich unvermittelt auf die Kategorie des Willens: „Die Europäer sind klug beraten, wenn sie sich nicht als weltpolitischen Akteur verstehen. Dafür sind sie tatsächlich zu schwach, und ihre Bevölkerungen bringen auch nicht den nötigen Willen auf.“ Eine deutliche Mahnung an die vom ihm Beratenen, die für die weiteren Expansionsbesrebungen notwendigen ideellen Voraussetzungen, eine neu-imperialisische Mentalität in Europa zu fördern. Vorher kann man nicht viel machen, außer schrittweise die Positionen auszubauen (und die Menschen weiter daran zu gewöhnen): an der „Peripherie“, in der „näheren Umgebung“ – wie in Afghanistan? Das stellt M. sich unter „stark wertgebundener Außenpolitik“ vor?
Auffällig, und dazu passend, ist sein Verschweigen elementarster Wissensbestände der Politologie bzw. Geschichtswissenschaft mit der (nicht ganz neuen) These, dass erst die Schwächung einer Weltmacht die Welt unsicherer mache, dass also, so ist zu schlussfolgern, das von ihm erwähnte britische Kolonialreich (dessen Vorbild, das Römische Reich mit seiner pax Romana hätte er noch nennen können) oder eben die USA auf ganz unkriegerische Weise zu ihren Rollen als „Weltpolizisten“ gekommen wären. Zu letzteren dürfen wir ihm einen Beitrag der Bundeszentrale für politische Bildung über die USA und Mexiko/ Mittelamerika empfehlen: „Hinterhof der USA? Eine Beziehungsgeschiche“ (aus 2011). Die Autorin, M. Braig, schreibt u.a.: „Für die Entgegensetzung der Amerikas und die Wahrnehmung Mexikos als ‚Hinterhof der USA‘ sind Verlust- und Gewalterlebnisse zentral“, was dann im Einzelnen über das 19. Jh. hinweg (1811 besetzten erstmals angloamerikanische Siedler spanisches Territorium) dargelegt wird. Und „Amerikas Kriege“ (Emmerich; Gassert: Wiss. Buchgesellsch. 2014, mit sehr deutlichen Worten auch zu den Vernichtungskriegen gegen die Urbevölkerung) möchten wir ihm ebenfalls ans Herz legen. – Mit dem Gespenst eines „Vakuums“ bei Rückzug der Kolonialmächte hat man uns schon in der Schule in den 60er Jahren zu erschrecken versucht am Beispiel der „Balkanisierung Afrikas“…
Interessant ist auch der Widerspruch in Münklers ‚Analyse‘: zum einen vermutet er, dass Trump eine „Art geteilter Weltherrschaft mit Russland“ anstrebe, zum andern erwartet er gleichzeitig Konflikte Russland-USA, wo dann Merkel-„Germeuropa“ die Vermittlerrolle spielen könnte. Auch hier verwirrt ihn seine Intention.
Münkler gilt als ausgewiesener Experte mit in manchen Kreisen hohem Renommee, was er schon lange nutzt, um die Großmachtpläne Deutschlands und Deutsch-Europas argumentativ und ideologisch (das Wort hier ganz alltagssprachlich-abwertend) zu unterfüttern. Da kommt noch einiges auf uns zu.
Wolfram Breger