wenn china eine „supermacht“ ist – was ist dann deutschland?

30. Jun 2011 / Anlässlich des Staatsbesuchs von Wen mit Gefolge in Berlin waren sich alle deutschen Medien einig, dass da eine „Supermacht“ auf dem roten Teppich marschierte. Was ist eine Supermacht? Bisher dachten wir, es habe in der Geschichte nur zwei gegeben, von denen nach 1990 nur noch eine übrig sei. Supermacht heißt Welthegemonie – also nicht bloß eine Wirtschaft, ohne die die Weltwirtschaft zusammenbräche, sondern auch ein politisches und vor allem militärisches Übergewicht über den ganzen „Rest der Welt“ (außer eventuell einer zweiten Supermacht). Es kann also überhaupt nur eine Supermacht geben (oder höchstens zwei).

Die USA sind also eine Supermacht: Sie besitzen die wirtschaftliche, militärische und politische (nebenbei auch noch kulturelle) Welt-Hegemonie. So viele Stützpunkte in der ganzen Welt, so viele Flugzeugträger, Raketen, Drohnen, Elitesoldaten und normale Soldaten usw. bekommen alle anderen nur in seltenen Fällen gemeinsam auf die Reihe. Bis vor kurzem konnte das Pentagon gleichzeitig zwei große Kriege führen und gewinnen – seit Obama sollen es vier sein.

Und China? Hat (noch) keinen einzigen Militärstützpunkt außerhalb Chinas. (Das kann sich theoretisch ändern, aber Zukunftsmusik ist Zukunftsmusik). Es ist aber „Weltmeister“ in einigen ökonomischen Dimensionen: Export, Devisenschatz und „Wachstum“ (nicht absolut, aber unter den großen Ländern). Der Devisenschatz hauptsächlich in Dollar-US-Staatsanleihen macht China aber von den USA auf Gedeih und Verderb abhängig. Auch als Exportweltmeister ist China auf die USA auf Gedeih und Verderb angewiesen. (Alles andere ist bis auf weiteres Zukunftsmusik.)

China ist also (schon jetzt) eine der führenden Großmächte, aber beileibe keine Supermacht. Warum also diese Aufbauscherei sämtlicher deutscher Medien? Aus zwei äußerst transparenten Gründen: Erstens soll die Monopolstellung der USA als Supermacht ‚verkleinert‘ werden – zweitens und vor allem aber will „Deutschland“ am liebsten ganz wegtauchen!

Deutschland ist „nur“ noch „Vize-Exportweltmeister“ – „legt“ aber mit 80 Millionen Einwohnern fast genauso viel „hin“ wie China mit 1,3 Milliarden! Daran wird die Stärke des deutschen Kapitals klar. Das gilt noch mehr für fast alle anderen ökonomischen und auch ökologischen Dimensionen. Etwa die globalen Investitionen: Wieder bauscht man die chinesischen auf und verschweigt die viel höheren deutschen. Und das Militär? Während China (noch) zuhause bleibt, hat die Bundeswehr inzwischen jede Menge Stützpunkte auf dem Balkan, im Mittelmeer, am Horn von Afrika und vor allem in fast allen Ländern Zentralasiens. Und steht Gewehr bei Fuß auf dem Balkan und führt einen blutigen Besatzungs- und Antiguerillakrieg in Afghanistan. Und politisch ist Deutschland die Hegemonialmacht ganz Europas und diktiert nicht nur Griechenland die Politik. (Auch Hegemonie bedeutet nicht Kommandogewalt, sondern faktisches Vetorecht – so wie gegen den Willen der USA nichts in der Welt läuft, so gegen den Willen Deutschlands nichts in Europa.)

Gegen Missverständisse: Es geht nicht um „böse“ deutsche Eliten in Politik und Banken, die Hegemonie über andere Länder „wollen“ – es geht um historische Entwicklungen, die diese Eliten angeblich „zwingen“, immer mehr „Verantwortung“ für die Welt zu übernehmen. Es geht um das bestehende globale „Spiel“, in dem Deutschland (zum drittenmal seit Bismarck) die „Rolle“ einer der mindestens fünf führenden Groß- und Weltmächte „zugefallen“ ist. Das hat ungeheure Folgen und darf deshalb nicht weiter schamhaft hinter der „Supermacht China“ versteckt werden. Weder China noch Deutschland sind „Supermächte“ – beide aber führende Groß- und Weltmächte. Die Zeiten, als Deutschland eine schnuckelige „europäische Mittelmacht“ war, sind lange vorbei.

Festzuhalten bleibt: Niemals hat die deutsche Bevölkerung darüber diskutieren oder gar abstimmen dürfen, ob „wir“ wieder führende Weltmacht „werden wollen“. Das ist aber eine wichtigere Frage als die Frage Bonn oder Berlin oder die Frage PID, bei der sogar die Abgeordneten frei abstimmen dürfen. Konkret geht es bei der Frage von Bundeswehrkriegen in „Übersee“ um diese Frage. Die Eliten meinen, in Zukunft noch viel mehr solcher Kriege führen zu „müssen“ – eben in der Logik der Weltmachtposition. Die Bevölkerung ist sehr viel geschichtsbewusster und lehnt daher beides ab. Nicht nur „Atomkraft? nein danke!“ – auch „Weltmacht? nein danke!“

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