bologna-basta weniger unsterblich: sachsen kehrt zurück zum staatsexamen

27. Okt 2010 / Mindestens einen Konsens hat die Opposition gegen Stattgart 21 schon erreicht: Selbst Mappus muss medial bekennen, dass „Schluss mit der Basta-Politik“ sein müsse. Einer der extremsten, ja extremistischsten Fälle von Basta-Politik tobt sich seit 1999 im Uniwesen aus: „Bologna“. Der Name dieser wunderschönen Stadt wird seither besudelt mit dem absurden, von Bertelsmanns „CHE“ ausgeheckten und von der HRK (Hochschul-Rektoren-Konferenz) „implementierten“ Verpunktungs-, Modularisierungs- und Akkreditierungsunwesen des „Bachelor-Master“-Kurzstudiums. Dieses Unwesen konnte überhaupt nur dadurch „implementiert“ werden, dass – unter der Fahne von „Hochschul-Freiheits-Gesetzen“ – erstmal frühere Studiengänge wie Diplom, Magister und Staatsexamen, verboten wurden – statt ihnen ebenfalls die Chance der „Nachbesserung“ einzuräumen. Soviel zum „freien Wettbewerb“.

Seither wird es von Semester zu Semester evidenter, dass „Bologna“ vor die Wand gefahren ist. Trotzdem hören wir aus Gütersloh und dann auch aus HRK, Politik und Medien: „Bologna ist unumkehrbar“ – wird „nachgebessert“ und „nachgebessert“, „reakkreditiert“, „systemakkreditiert“ – ist jedenfalls unumkehrbar: Basta! „Es gibt keine Rolle rückwärts: Basta!“ (HRK-Chefin Wintermantel)

Nun aber zeigt sich die Umkehrbarkeit des Unumkehrbaren: Zuerst führten die führenden TUs die Diplomstudiengänge wieder ein – und nun führt der Freistaat Sachsen das Staatsexamen wieder ein! In einer kleinen Meldung (FAZ 20.10.2010) ist zu lesen: „Sachsen wendet sich in der Lehrerausbildung vom Bachelor-Master-System ab und kehrt zum Staatsexamen zurück. […] Die Regelstudienzeit soll für die Grundschule 8 Semester, für die Mittelschule 9 und für das Gymnasium 10 Semester betragen.“ Grund: der Bachelor habe sich „nicht bewährt“.

Warum war das nur eine kleine Meldung und führte zu keiner medialen Artikelfolge? Wieso bricht die Welt nicht zusammen, obwohl Bologna sich als „umkehrbar“ erweist? Wieso lesen wir nirgendwo, dass Wintermantel jetzt schon mal heimlich die Rolle rückwärts trainieren sollte? Das kann nicht direkt an Bertelsmann und auch nicht direkt an der Politik liegen. Das muss an den für Bildung zuständigen Medienleuten selber liegen. Ich versuche mal, mich in deren Köpfe zu denken: Meinen sie etwa, das Ende der Basta-Politik könnte „ausufern“, wenn jetzt auch noch die heilige Kuh „Bologna“ kippt? Oder fühlen sie sich „progressiv“ und „links“, und meinen, die Regierung in Sachsen sei ja „konservativ“ und „rechts“, und deren Entscheidung müsse man nach Möglichkeit totschweigen? Aber ist Bertelsmann eigentlich „links“ oder „rechts“? Bertelsmann ist immer „Mitte“ – und ob „Bologna“ nun „rechts“, „links“ oder „Mitte“ ist, sollten wir Bertelsmann selber überlassen – jedenfalls ist es Humbug und gehört zumindest pluralisiert durch Zulassung von Alternativen.

Das bedeutet nicht, dass einfach alles Alte (z.B. das undurchlässige Schulwesen) restauriert werden müsste – der Druck in eine solche rein retrograde Richtung wird aber umso stärker werden, je länger „Bologna“ als „unumkehrbar“ behandelt wird. Natürlich ist an den alten Studiengängen und am ganzen Bildungwesen vieles „nachzubessern“ – nur: „Bologna“ ist schlechter als alle denkbaren Alternativen und muss deshalb als erstes sein Zwangsmonopol verlieren.

Und was ist mit den Studigenerationen, die schon durch „Bologna“ gegangen sind? Für sie sind – falls sie es wünschen – Möglichkeiten des zusätzlichen Erwerbs eines anderen Abschlusses anzubieten. Dafür gibt es viele Vorbilder und Erfahrungen. Jedenfalls kann es so mit dem Totschweigen der „Bologna“-Pleite nicht weitergehen. Es gibt jetzt die Chance zu frischem Wind im Bildungs- und Hochschulwesen, der einmal nicht aus Gütersloh weht.

Und noch ein Ereignis weckt Hoffnungen: Der AStA Münster hat in einem Grundsatzurteil feststellen lassen, dass die Wahl des Hochschulrats der Uni ungültig war, da keine Öffentlichkeit zugelassen wurde. Auch die Entmachtung der universitären Selbstverwaltungsorgane durch einen fremdbesetzten Hochschulrat gehört zu den „Reformen“ aus Gütersloh, die „Bologna flankieren“ sollten. Im Hochschulrat von Münster sitzt Ex-Bertelsmann-Chef Middelhoff, der seither mit einem Bein woanders als im Hochschulrat steckt. Seine Wiederwahl dürfte nicht sicher sein – leider aber ist es noch weniger sicher, dass auch die undemokratischen Hochschulräte insgesamt kippen, wie es im Rahmen eines neuen Hochschulgesetzes nur konsequent wäre.

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