„flüchtlingskrise“? die große desertion aus den unteren normalitätsklassen

Desertion im engen Sinne

22. Nov 2015 / Eine Teilgruppe der großen „Flüchtlingslawine“ (Schäuble) wird mediopolitisch besonders betont: die jungen syrischen und irakischen, aber auch afghanischen Männer. Bei den Breivikisten von Pegida & Co. fürchtet man die potentielle Bedrohung blonder Frauen durch diese jungen Männer. Tatsächlich sind es großenteils Deserteure, und zwar Deserteure im engen Sinne: Sie sind vor Zwangsrekrutierung geflohen: teils durch offizielle Armeen wie die Assads, teils durch Milizen. In Afghanistan zählen auch „unsere Azubis“ dazu: afghanische Soldaten, die von „uns“ zum Kampf gegen die Taliban und andere Milizen „ausgebildet“ werden sollen. Wie in diesem Blog oft genug dargestellt, geben sie im Ernstfall „Fersengeld“ (wenn sie nicht sogar zu Insider-Terroristen werden) – und fliehen nun massenweise zu „uns“.

Desertion im weiteren Sinne

Wenn die „jungen Männer“ als Deserteure im engen Sinne den harten Kern der Massenflucht bilden, so lässt sich die gesamte Masse als Deserteure im übertragenen Sinne auffassen: Sowohl die Kriegsflüchtlinge, die den ständigen Bomben- und Granatenterror nicht mehr aushalten, wie die sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge, vor allem aus Afrika, fliehen aus den unerträglichen Lebensbedingungen der drei unteren Normalitätsklassen (pauschal als „Dritte Welt“ bezeichnet) „aufwärts“ in die zwei oberen (Erste und Zweite Welt). Auch das lässt sich strukturell als Desertion begreifen. Die Aufteilung der Welt in fünf Normalitätsklassen mit gestuften Standards an „Normalität“ ist an die Stelle der früheren Aufteilung in Metropolen und Kolonien getreten. Das Leben in den unteren Normalitätsklassen ist so etwas wie ein „Azubi“-Status der unteren 4 Milliarden: Sie müssen sich gedulden, bis sie genügend „entwickelt“ sind, um unseren Lebens- und Normalitätsstandard zu erreichen. Diesen Normalitätsstandard sehen sie aber auf ihren großen und kleinen Bildschirmen bereits jetzt, und sie wollen ihn sofort. Deshalb lernen sie fleißig englisch, legen sich unsere neuesten Frisurmoden zu und machen sich auf auf die große Reise. Anders gesagt: Sie desertieren aus ihrem „Azubi“-Status und kommen zu „uns“, ihren „Ausbildern“.

Was das Grenzproblem mit den Normalitätsklassen zu tun hat

Obwohl die Entscheider-Eliten der Ersten Normalitätsklasse (und besonders spektakulär in Deutschland: Seehofer kanzelt die Kanzlerin ab) sich angesichts der Massendesertion gespalten haben, stimmen sie in einem Punkt weiter überein: Die Massenflucht muss „gesteuert“ und „geordnet“ werden – und das vor allem durch Grenzkontrollen. Die Flüchtlinge mit und ohne „Bleibeperspektive“ müssen auseinanderdividiert und gefiltert werden. Besonders durch eine robuste EU-Außengrenze. Was aber ist die EU-Außengrenze strukturell? Es ist die Grenze zur „Dritten Welt“, also die Grenze zwischen zweiter und dritter Normalitätsklasse, zwischen „Ausbildern“ und „Auszubildenden“. Was die Flüchtlinge betrifft, so gehört es zum Normalitätsstandard unterer Klassen, viele Flüchtlinge in großen Lagern „managen“ zu müssen. Die „Hot Spots“ bilden seit eh und je ein ständiges Element der Normalitätsklassen drei bis fünf. Umgekehrt sind „Hot Spots“ in den Normalitätsklassen eins und zwei (also bei „uns“) „anormal“. Die Flüchtlingscamps in deutschen Turn- und Messehallen sind unübersehbare Symptome dramatischer Denormalisierung. Denormalisierung aber bedeutet „Handlungsbedarf“, d.h. Normalisierungsbedarf. Anders gesagt: Die „Hot Spots“ müssen wieder dorthin, wohin sie „gehören“: In die dritte bis fünfte Normalitätsklasse.

Die Rolle der Türkei und Griechenlands

Die Türkei bildet das wichtigste Land der oberen dritten Normalitätsklasse in direkter Nachbarschaft zu Europa – Griechenland war vor der Krise das unterste Land der zweiten Normalitätsklasse in Europa. Durch die brutale Versenkung Griechenlands in die dritte Normalitätsklasse unter Schäubles und Merkels Diktat ist Griechenland zu einer Art Vorhof der Türkei in Europa gemacht worden: Das erklärt das Drängen Deutschlands (Dreier-Konferenz!!) auf enge Kooperation zwischen den beiden alten „Erbfeinden“, um eine Art integrierte „Hot Spot“-Zone auf beiden Seiten der Ägäis aufbauen zu können. Wenn die Griechen das nicht „schaffen“, wird Europa (unter deutscher Hegemonie) das „übernehmen“ müssen.

Egalisierung nach oben, nicht nach unten!

Durch die Versenkung Griechenlands ist eine Lage entstanden, in der die ärmsten Teile des griechischen Volkes nicht einmal mehr den Lebensstandard durch Hartz IV in Deutschland besitzen, auf den auch viele Flüchtlinge Anspruch haben werden. Also fordert Schäuble bereits, den Standard für Flüchtlinge zu senken, um seine „schwarze Null“ zu schützen und eine neue Volksbewegung in Griechenland zu verhindern. Gleichzeitig erhöhen die deutschen Kommunen die Steuern wegen der Flüchtlinge – ebenfalls weil Schäuble an seiner schwarzen Null mit Klauen und Zähnen festhält. (Sie ist „notwendig“, damit Deutschland die anderen Europäer, und vor allem Frankreich, mit ihren hohen Defiziten erpressen kann.) All das ist Wasser auf die Mühlen des Breivikismus. Die Konkurrenz der Unteren kann aber gebrochen werden: Durch das Prinzip der Egalisierung nur nach oben bei verschiedenen Standards der Unterdrückten. Für Griechenland bedeutet das konkret Revision des 3. Spardiktats und Schuldenerlass.

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