jetzt weltmacht nr. 2? vermutlich ja.

4. Feb 2012 / International wurde Deutschland schon längst zu den ganz oben führenden Weltmächten gezählt. Im Inland (und besonders bei Linksintellektuellen) war der gesamte „geopolitische“ Problemkreis dagegen tabu. Und nun ist es wie mit einem U-Boot: Es taucht plötzlich auf und zwar ganz vorn und ganz groß. Die Münchner „Sicherheitskonferenz“ (das heißt das „Davos“ der Geostrategen) behandelt lautstark das Thema „Deutschlands Rolle in der Welt“. Allerseits wird – nicht etwa Zurückhaltung, sondern „deutsche“ Führungsstärke für die Welt gefordert! (Also noch mehr!) Timothy Gordon Ash redet dabei weiter von „Normalisierung“ und „Normalität“.

In diesem Blog, in der „kultuRRevolution“ und in der Vorerinnerung (Bangemachen gilt nicht auf der Suche nach der Roten Ruhr-Armee) ist das Tabu nie respektiert worden. Es war ein bisschen die Lage des „Rufers in der Wüste“. Ich erinnere mich an eine Diskussion unter Linksintellektuellen vor 5 Jahren (als wirklich alle Weichen längst klar gestellt waren), wo ich schüchtern zu Bedenken gab, ob wir uns nicht langsam darauf einstellen müssten, Opposition in der zweit- oder allenfalls drittmächstigsten Weltmacht zu sein… Aufschrei! Völlig verrückt!  „Europa!“, „Empire!“ – aber doch nicht Deutschland.

Und nun ist das U-Boot plötzlich aufgetaucht. Es ist de Krise, die es zum Auftauchen gezwungen hat. Normalisierungsweltmeister gegen die Krise! Jetzt setzt „uns“ nicht bloß die gesamte hegemoniale internationale Presse auf Platz 2 oder allenfalls 3 – jetzt können auch die deutschen hegemonialen Medien das Tabu nicht mehr wahren. Aber sie drehen die Sache so: Unsere Politiker sind zu zaghaft – sie sollten endlich mehr Klartext reden! Jawohl, „wir“ sind Weltführungsmacht ganz oben – irgendwo direkt hinter den USA. Diese „Verantwortung“ ist „uns“ nun mal „zugefallen“. Jetzt müssen wir sie endlich klar übernehmen!

Für uns als antihegemoniale Opposition gilt es erstens zu klären, warum wir mal wieder überrollt wurden. Ich meine: Weil die Wahrheit in diesem Fall alles andere als bequem ist. Wie sollen wir uns jetzt zum Beispiel ganz konkret „im Ausland“ verhalten? Wir können doch nicht „unser Nest beschmutzen“? Was machen wir bloß mit unserem (nationalen!) „Wir“? Aber einige Illusionen sind wohl abzulegen und auf einige Realitäten sollten wir uns vielleicht langsam einstellen, als da sind: Das „postnationale Zeitalter“ ist keineswegs erreicht – die „großen“ Nationalstaaten behalten nicht bloß ihre Souveränität, sie bauen sie sogar aus. „Post-Nationalität“ und „Post-Souveränität“ sind nur für die Kleinen und die Armen (normalismustheoretisch: für die unteren Normalitätsklassen, die kriegen vielleicht bald wirklich „Kommissare“), aber nicht für die „Großen“, nicht für „uns“ . – „Europa“: ist eine Koalition von „großen“ Nationalstaaten, unter der Führung des stärksten, der die Spielregeln setzt („Fiskalpakt“) – was Widersprüche nicht ausschließt, sondern künftig verstärken wird. – „Empire“: ist ebenfalls eine Koalition von Weltmächten und keine übernationale Einheits-AG. – „Weltmacht China“: sollte nicht als Ablenkung von der Weltmacht Deutschland verwendet werden. China greift zur Weltmacht, Deutschland hat dabei einigen Vorsprung (zum Beispiel global-militärisch) – aber angenommen, „wir“ wären wirklich bloß Nr. 3 – ändert das was?

Ich übersetze mal aus einem ganz „normalen“ griechischen Kommentar (aus „Kathimerini“, 4.2.2012; man könnte hunderte aus allen Ländern der Welt zitieren): „So wie die USA unter Bush ihre militärische Stärke im Jahr 2003 überschätzten, indem sie ihre Bündnispartner zu Befehlsempfängern herabstufen wollten, so überschätzt heute das Deutschland der Merkel seine ökonomische Stärke und unterschätzt den entscheidenden Faktor der Politik. Das Wiederaufleben antideutscher Gefühle ist inzwischen mehr als sicher. Aber selbst auf der ökonomischen Ebene selber werden die Konsequenzen nicht lange auf sich warten lassen. Indem Deutschland die Sinifizierung der Arbeitsbeziehungen vorantreibt, dezimiert Deutschland die Einkünfte eben derselben Europäer, die seine Produkte kaufen und seine Überschüsse nähren. Wenn aber die Stärke sich zur Hybris steigert, wartet die Nemesis um die Ecke.“

Schön der echt griechische Mythos von der Nemesis, von dem unser Schiller so überzeugt war. Aber es ist so: Der deutsche Nationalismus (in BILD und SPIEGEL) ist bereits (wieder) in voller Geisterfahrt gegen die Nationalismen der anderen. Es braucht ein kulturrevolutionäres WNLIA (Weder noch, lieber irgendwie anders). Eine solche Stimme zu „stimmen“, ist nicht einfach. Die „kultuRRevolution“ und die Vorerinnerung sind jetzt brauchbar. Es geht um den „3. Versuch des deutschen V-Trägers“ („Verantwortungs-Trägers“) – es geht darum, uns von diesem 3. Versuch nicht überrollen zu lassen. Ganz wichtig sind Simulationen und Szenarien dieses 3. Versuchs (wie sie in der „Vorerinnerung“ stehen). Ja – wir Nicht-Hegemonialen können uns jetzt verdient machen, indem wie die Märsche des 3. Versuchs vor-simulieren und verbreiten – hier und international (um den 3. Aufprall des Geisterfahrers nach Möglichkeit zu verhindern.)

Tags: