regierung tsipras ii trägt mehrheitlich krawatte, symbol der „normalität“ (einer unteren normalitätsklasse) – wie lange wird es halten?

24. Sep 2015 / Kaum erinnern wir uns noch an den Start der Regierung Tsipras I vor einem knappen Dreivierteljahr: Jedenfalls regte sich damals unsere mediopolitische Klasse über die Krawattenlosigkeit auf. Man verstand das (nicht zu unrecht) als ein Symbol dafür, dass diese Regierung die „europäische Normalität“ made in Berlin nicht akzeptieren wolle. Dann kam das 5monatige Water Boarding, wie Varoufakis es zutreffend nannte, in dem Syriza I „weichgekocht“ werden sollte. Syriza I wollte nur das Minimum für eine halbwegs nachhaltige Normalisierung ohne Gänsefüßchen: das Ende der Brüningpolitik und einen Schuldenerlass. Wenn heute die VW-Aktie an einem Tag 30 Milliarden verliert, und wenn zur „Lösung der Flüchtlingskrise“ Zigmilliarden „aus der Portokasse“ Schäubles „in die Hand genommen“ werden können („schwarze Null bleibt“ trotzdem stehen) – wenn der Afghanistankrieg 20-30 Milliarden „deutsches Geld“ verschlungen hat und dennoch jetzt eine Massenflucht aus dem von der Bundeswehr „stabilisierten“ Afghanistan unterwegs ist – zu schweigen davon, dass die Ukraine für ihre antirussische Haltung locker einen Schuldenerlass in zweistelliger Milliardenhöhe bekommt – dann wissen wir, dass die Gewährung eines Schuldenerlasses für Griechenland nicht am Geld gescheitert sein kann, sondern dass es um ein „Erziehungsmittel“ ging: Syriza I und Tsipras I sollten normalisiert werden – im Klartext: Sie sollten die Herabstufung ihres Landes von Normalitätsklasse 2 nach 3 genauso wie Samaras und Venizelos akzeptieren. Das gehört zur „europäischen Hausordnung“ (drei Klassen-Ordnung) made in Berlin. Zur Strafe für ihre Störrigkeit und den „schweren Vertrauensbruch“ des Referendums vom 5. Juli bekamen sie noch härtere „Reformen“ aufgezwungen als alle ihre Vorgänger. Das machten Varoufakis und viele weitere Vertreterinnen von Syriza I nicht mit. Sie schieden aus dem Parlament aus und wurden dann auch rausgewählt. Aber: von bloß einer knappen Hälfte des Wahlvolks: die große Mehrheit der Jugend, die am 5. Juli mit OXI gestimmt hatte, boykottierte diese Wahl. Viele wählten ungültig und verarschten die Demoskopen, die wieder um bis zu 10 Prozent danebenlagen.

Die Regierung Tsipras II startet als „normale“ Regierung der „linken Mitte“ (nach „deutscher“ Definition). Sie drückte das auch symbolisch aus: Auf dem Vereidigungsfoto trug die große Mehrheit der Minister (Frauen gibt es bloß 2 oder 3) Krawatten (Tsipras noch nicht; er will noch einen kleinen Rest Syriza I signalisieren). „Normal“ aber heißt für Griechenland nach Schäubles und Merkels GERMROPA-Konzept (wie Herfried Münkler es erklärt): 3. statt 2. Normalitätsklasse („3. Ring“ nach Münkler) – will sagen: ohne auch nur halbwegs ausreichende soziale Netze (etwa im Gesundheitswesen) für die untere Hälfte der Bevölkerung. „Bulgarisierung“, „Albanisierung“, „Drittweltisierung“. Dazu wird es nun nach der Wahl gehören, dass diese Normalitätsklasse „Hot Spots“ für Flüchtlinge bekommt, und dass die Bundeswehr mit ihrer Mittelmeerflotte den Archipelagus gegen die „Schlepper schützen“ und deren Boote versenken wird (mit dem drittgrößten Kampfeinsatz ihrer Geschichte nach Afghanistan und Kosovo). Schiffeversenken im Archipelagus: wie symbolisch: Das größte Schiff hat Deutschland schon versenkt: Griechenland.

Übrigens: Die einzige bereits vorher im Parlament vertretene Partei, die Stimmen und Sitze gewann, war – die Neonazipartei Chrisí Avgí. Das dürften Schäuble und Merkel durchaus beabsichtigt haben. Es bestätigt die „niedrige Normalität“ Griechenlands.

Dieses „new normal“ der Griechen ist aber Fassaden-Normalität. Berlin muss sich darauf gefasst machen, dass eines Tages die junge Generation Griechenlands sich auf einen Massenmarsch nach Norden aufmacht: Was dann?

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