wenn katrin göring-eckardt frenetisch „verantwortet“…

6. Okt 2016 / Was bedeutet es, wenn in einem Text, der (nach Abzug der Flickwörter und der Namen der Kriegsparteien wie „Russland“, „Syrien“, „Deutschland“, „wir“ usw.) aus circa 210 Lexemen (Wortkomplexen) besteht, 7 , also zwischen 3 und 4 Prozent, auf „Verantwortung“ fallen? Wie in diesem Blog zur Genüge nachgewiesen, steht „Verantwortung“ im Kontext von Eskalationen schlicht und einfach für Krieg. Bei dem Text handelt es sich um einen Gastbeitrag von Karin Göring-Eckardt im Namen der GRÜNEN für die FAZ (15.10.2016: „Der Druck auf Assad und Putin muss wachsen“). „Deutschland ist Teil dieser Weltgemeinschaft, die innerhalb der Vereinten Nationen Verantwortung trägt: Verantwortung für Humanität und Hilfe, Verantwortung zum Schutz.“ In der „Verantwortung zum Schutz“ steckt die Forderung nach Eskalation („Druck“). Nicht nur fordern die Grünen zusätzliche „Sanktionen“ gegen Russland (nicht gegen Saudi-Arabien), sondern sie fordern eine „Flugverbotszone“, und zwar „Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln“: Die letzte Formel („all necessary means“) ist die klassische Formel für Kriege mit nach oben offener Eskalation von eingesetzten Waffen. Konkret für die Grünen hier und jetzt: Das Flugverbot muss von NATO-Jägern und NATO-Raketen (mit deutscher Beteiligung) „durchgesetzt“ werden, wobei es zu einem Luftkrieg mit Russland kommen wird, was die Grünen sehr genau wissen und also nicht nur in Kauf nehmen, sondern propagieren. Dass ein solcher Luftkrieg sich umgehend mit dem Ukrainekonflikt koppeln wird, wissen sie ebenfalls und scheinen sie zu begrüßen.

KAIROS DER TARTUFFES

Dass wir seit geraumer Zeit auf unseren Bildschirmen eine frenetische Eskalation von Tartuffes, also Tugendheuchlern, beobachten können, wurde ebenfalls in diesem Blog bereits konstatiert. Katrin Göring-Eckardt wird medial als „Theologin“ gehandelt (sie hat ein Theologiestudium abgebrochen) – soll wohl heißen, ihre Politik sei 100 Prozent „ethisch“ grundiert – ebenso wie die des Pfarrers Gauck und der Pfarrerstochter Merkel. Während die Katrin ihren Aufruf zur Eskalation verfasste, bombardierte Saudi-Arabien (als Stellvertreter für den Westen) im Jemen eine Hochzeitsgesellschaft – so wie in Afghanistan seit Jahren üblich. (Im Blog wurde erklärt, wie das läuft: ein „Informant“ will mit einem anderen Clan abrechnen und ruft bei der NATO an – diesmal bei der „Koalition“ im Jemen.) Ein weiterer Zufall will, dass auf der Website von Al Jazeera gerade eine ausführliche Reportage über die Kriegsführung der USA mit Drohnen in Afghanistan zu lesen und als Video anzusehen ist (Jamie Doran/Najibullah Quraishi, „Living Beneath the Drones“): Ein ganzes Volk einschließlich seiner Kinder, das über sich täglich die Drohnen kreisen sieht, wird in eine Angstpsychose versetzt, die in vielen Fällen bis an die Grenze des klinischen Wahnsinns geht (Interviews mit einigen der wenigen Psychiater des Landes). Wäre da nicht auch „Druck“ angesagt oder gar „Sanktionen“? Die Katrin quetscht sich am Ende ihres Artikels, nachdem sie außer Russland vor allem auch den Iran mit Sanktionen beglücken möchte, eine „Kritik“ an Saudi-Arabien ab: Dessen Politik „führt zur Radikalisierung der sunnitischen Assad-Gegner“. Da bleibt mir die Spucke weg, wie man so sagt.

„HAUSAUFGABENMACHER“ ODER „WELTMISSIONARE“? BEIDES!

In der „Vorerinnerung“ (dem Roman „Bangemachen gilt nicht auf der Suche nach der Roten Ruhr-Armee“, asso-Verlag Oberhausen; schon mal als Weihnachtsgeschenk empfohlen) wird in Zukunftssimulationen der „dritte Versuch des deutschen V-Trägers“ vorerinnert (Verantwortungs-Trägers: die Katrin hilft ihm gerade sehr) – damit es nicht später wieder heißt, das hätte man nicht voraussehen können. Bei der militärischen Komponente der in die ganze Welt wachsenden deutschen Verantwortung wird ein Konflikt innerhalb der militärischen Führungseliten simuliert: zwischen „Hausaufgabenmachern“, die die deutsche militärische Verantwortung auf die „Hinterhöfe“ auf dem Balkan, in Osteuropa und in Nordafrika beschränken möchten – und den „Weltmissionaren“, die am roten Faden der „humanitären Schutz-Verantwortung“ unbegrenzt weiter ausgreifen möchten. Bisher haben sich im Fall Balkan die Hausaufgabenmacher, und im Fall Afghanistan die Weltmissionare durchgesetzt. Augenblicklich wird nicht nur Nord-, sondern ganz Afrika als deutscher Hinterhof („Verantwortungs-Kontinent“) definiert. Und auch noch der „mittlere Osten“ (mit Syrien und dem Irak)? (Und dann auch noch die direkten westlichen Nachbarn Russlands, vor allem die Ukraine?!)

BIS WOHIN ERSTRECKEN SICH „UNSERE“ HINTERHÖFE? ES GEHT UM GEOSTRATEGIE, NICHT UM HUMANITÄT

Ja, bis wohin erstrecken sich eigentlich die deutschen Hinterhöfe? Es gibt manchmal Anzeichen, dass in der Führung der Bundeswehr nicht alle für grenzenlose Ausweitung unserer Hinterhöfe oder gar für grenzenlose Weltmission schwärmen. In diesem geostrategischen Dilemma muss man die Initiative der GRÜNEN so verstehen: Schluss mit dieser Alternative: Die Hinterhöfe gehen direkt in die Weltmission über. Die Parolen Keine Obergrenzen! No borders! bekommen eine ganz neue Bedeutung. BÜNDNIS TARTUFFE/DIE GRÜNEN: Während die deutschen Eliten bei allen Unterschieden in einem Punkt Konsens haben: „Wir“ leben nach Ende der bipolaren Welt nunmal wieder (wie vor dem WK I) in einer von Geopolitik und Einflusssphären bestimmten Welt, und wir müssen deshalb wie Bismarck Realpolitik machen, und dazu gehören Blut und Eisen, also auch Militär – während diese Mentalität bei Berliner Kopflangern wie Herfried Münkler dominiert, möchte die Katrin über diese geostrategische Realpolitik in schlimmster „deutscher“ Tradition eine Tugendmaske stülpen.

MALI, NIGER, ÄTHIOPIEN

Angela Merkels Afrikareise nach Mali, Niger und Äthiopien ist in diesem Kontext zu sehen. Scheinbar ging es vor allem um Abriegelung der Flüchtlingsströme – aber in Mali und Niger ist die Bundeswehr gerade dabei, im schlimmsten Fall ein afrikanisches Afghanistan herbeizueskalieren. In der „Vorerinnerung“ ist eine Intervention in Azania (Südafrika) simuliert – was bedeutet es, dass nun schon Äthiopien (zu Zeiten Mussolinis hieß es Abessinien) im deutschen Verantwortungs-Horizont auftaucht?

WNLIA – WEDER ASSAD NOCH AL NUSRA, LIEBER … WAS?

Die Katrin behauptet: „Assad verantwortet (verantwortet) zusammen mit seinen Verbündeten die weit überwiegende Mehrzahl der zivilen Toten“ (also weit mehr als IS, Al Nusra, früher Al Kaida genannt, und weitere dschihadistische „Rebellen“ zusammen) – woher weiß sie das? Offensichtlich von Diensten – sie tut also so, als ob sie Diensten vertrauen könnte. Aber sicher: Assad versucht mit allen Mitteln, sich an der Macht zu halten, darunter mit Luftbombardements mit schrecklichen „Kollateralschäden“ unter Zivilisten – aber wer hat die Strategie der Luftschläge mit den unvermeidlichen „Kollateralschäden“ weltweit durchgesetzt? Und wer hat sie 1999 auf dem Balkan praktiziert? Unter anderen die GRÜNEN. Sicher ist der Syrienkrieg inzwischen so weit eskaliert, dass die Formel WNLIA (Weder – Noch, Lieber irgendwie anders) nicht mehr kurzfristig zu konkretisieren ist. Immerhin kann man sagen: WNLIA spricht jedenfalls dafür, Rojawa (das selbstverwaltete Syrisch-Westkurdistan) zu unterstützen – es wird direkt bedroht von Katrins verharmlosten „Rebellen“ und deren Pate Erdogan.  Nichts davon kommt bei der Katrin vor – statt dessen behauptet sie auf recht ominöse Weise: „Russland handelt und schafft ein neues Tschetschenien“ – Syrien = Tschetschenien?  Was soll denn das nun wieder heißen?

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