wenn sich das „starke land“ verzockt. oder wenn die möchtegern-weltmacht die große denormalisierung auslöst

22. Jan 2016 / Bekanntlich begründete Angela Merkel ihren „Willensruck“ („Wir schaffen das“) mit der Zuversicht, „wir“ seien „ein starkes Land“. Was hinter dieser Formel steckt, wurde klar, als Obama in seiner letzten State-of-the-Nation-Rede die gleiche Formel benutzte: die USA seien „ein starkes Land“. Bei ihm bedeutete die Formel: Supermacht – bei Merkel also: führende Weltmacht. Beides stimmt, wenn auch natürlich mit Abstand. Aber selbst „die Märkte“ (bekanntlich die eigentlichen Souveräne dieser Art Spezialdemokratie) beginnen, „Deutschland“ als Risiko für die Weltwirtschaft einzuschätzen – weil sie zweifeln, dass Berlin die „Flüchtlingskrise stemmen kann“. Sie sehen das „Risiko“, dass die Weltmacht Nummer 2 oder 3 sich „verzockt“ hat und ihre europäische Hegemonie, die ja die Grundbedingung für ihren Weltmachtstatus ist, drauf und dran ist zu verspielen.

Die Symptome sind in der Tat alarmierend: Die „Flüchtlingslawine“ (Schäuble) wächst (symbolisch) exponentiell, was dramatische Denormalisierung bedeutet. Bisher zeichnet sich keine Aussicht auf Normalisierung ab, was ja bedeuten müsste: umgekehrte V-Formation: Kurve steil hoch und dann wieder genauso steil runter. Nicht einmal auf eine Normalitätsgrenze (1 Million im Jahr? 200000? 100000?) kann sich die deutsche Hegemonie einigen – vielmehr zeigt sie sich offen gespalten. (Aber die Spaltung einer Weltmacht-Hegemonie ist ein Alarmzeichen für „die Märkte“.) Merkels 3 Instrumente (Türkei, EU-Umverteilung, „Bekämpfung der Fluchtursachen“) greifen teils nicht, teils verschärfen sie die Krise. Und die Zeit drängt (Zeitkontraktion in jeder großen Krise).

DIE INSTRUMENTE „GREIFEN“ NICHT: ZEITKONTRAKTION!

Türkei: Erdogan will nicht nur viel mehr Milliarden und Reisefreiheit für Türken in Europa sehen, sondern vor allem auch die Absegnung seines Krieges gegen die Kurden in Anatolien und in Syrien (Rojava). – EU-Umverteilung: wäre nur durch eine Politik der „Sanktionen“ durchzusetzen, wenn überhaupt.

„BEKÄMPFUNG DER FLUCHTURSACHEN“?

Die Formel „Bekämpfung der Fluchtursachen“ versteht die Regierung Merkel (über die zuständige Ministerin von der Leyen) sehr wörtlich: durch Krieg mit der Bundeswehr in Syrien, Irak, Afghanistan, Mali und neuerdings bald auch Libyen. Aber dazu sagen bereits Leserbriefschreiber in der Fatz: Damit werden noch die letzten in Syrien übriggebliebenen Syrer nach Deutschland vertrieben. Tornados und Bundeswehr-„Ausbildungsmissionen“ (sprich Krieg on the ground) sind zwar Ausweise eines „starken Landes“, einer Weltmacht – aber auch dabei (gut 1 Prozent der Weltbevölkerung!!) sieht es nach Verzocken aus.

UND DIE „POPULISMUSIMMUNITÄT“ IST IM EIMER!

Eine der schlimmsten Kollateralschäden des imperial overstretching der aufstrebenden Weltmacht Deutschland („starkes Land“) ist aber zweifellos der Verlust der sogenannten „Populismusimmunität“, nach Herfried Münkler einer Grundbedingung für die europäische Hegemonie der „Zentralmacht Deutschland“ – im Klartext das (symbolisch) exponentielle Wachstum eines radikalen und mehr und mehr auch militanten (Brandanschläge usw.) deutschen Neonationalismus und Neorassismus in Gestalt nicht nur von Pegida und AfD, sondern vieler lokaler „Bürgerwehren“. Auch das macht den „Märkten“ zusehends Sorgen.

UND DER HAUPTSCHULDIGE SINGT: O WIE GUT DASS NIEMAND WEIß!

Die Spaltung der Hegemonie ist medial durch die Personen Merkel vs. Seehofer ausgeflaggt. Schäuble gibt sich derweil neutral, reserviert schon mal einige Milliarden aus „seinen“ (den Billiglöhnern und Hartzern sowie den Kommunen abgepressten) Überschüssen für die Flüchtlinge und gibt weise Interviews in Davos: Tenor weitere Reserven für die Bundeswehr (Bekämpfung der Fluchtursachen), Flüchtlingssteuer auf Sprit (nein nein, nicht in Deutschland, „wir“ haben ja unsere Hausaufgaben gemacht, aber in anderen EU-Ländern, vermutlich z.B. in Griechenland), am besten einen (europäischen!) Marshallplan gegen die Flüchtlingskrise – und dann muss man mal sehen, ob Merkel mit der EU-Umverteilung vorankommt – allerdings drängt leider die Zeit… Dass Österreich Schotten dicht macht, ist nur allzu verständlich (dass Wien damit auch Berlin „schützt“, sagt er nicht), das ist eben der Plan B, der kommt, wenn die „Europäer“ unsolidarisch sind – dann müssen wir andere Saiten aufziehen – so wie gegen Griechenland. (Aber dass es genau diese Versenkung Griechenlands war, die die Flüchtlingskurve exponentiell gemacht hat, das weiß ja niemand: O wie gut dass niemand weiß, dass ich Supercleverle heiß! Und als Varoufakis einen europäischen Marshallplan forderte, war das „heiße Luft“.)

ERST GRIECHENLAND, DANN EUROPA „HERUNTERSTUFEN“?

An Griechenland hat Schäuble „experimentell bewiesen“, dass man ein schon verelendetes Land noch viel mehr verelenden kann – trotz Volksabstimmung – und dass man sogar eine vom Volk getragene Regierung in eine willige Inkassofirma für die Märkte umbiegen kann – wenn man eben andere Saiten aufzieht. Was heißt das? Im schlimmsten Fall heißt das, dass die verzockte Weltmacht gegenüber ganz Europa die gleichen finanziellen Erpressungsmittel einsetzen könnte, die in Griechenland so „erfolgreich“ waren. Alle eine Normalitätsklasse runter! Für Griechenland heißt das dann: Verwandlung in das große Flüchtlings-Entsorgungslager unter Souveränität von Frontex und anderen „europäischen Ausbildern“.  Aber hat die Weltmacht dafür überhaupt genügend Personal? Wenn es schon an Polizisten fehlt und ohne Ehrenamtliche das Flüchtlingsmanagement längst kollabiert wäre? Supercleverle, du gehst einen schweren Gang – selbst wenn du Kanzler werden solltest.

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