nach 10 jahren: die bologna-blase platzt! und wann platzt endlich die akkreditierung?

19. Jun 2009 / Vor 10 Jahren, mitten in der Bullenstimmung der New-Economy-Blase, tagten die Wissenschaftsminister der EU in Bologna. Der Wein, den sie tranken, war bestimmt nicht schlecht. Ansonsten waren sie von Lobbyisten ermutigt worden, ein paar große Worte loszulassen über „europäische Vereinheitlichung“ pipapo. Das wars auch schon.

Aber dann schlugen die Lobbyisten (mit Bertelsmann an der Spitze) zu: Sie fanden willige Politiker/innen, um eine gigantische Ent-Bildungs-Blase aufzupumpen. Angeblich war in Bologna zwingend beschlossen worden, dass in allen Ländern und in allen Fächern nur noch sogenannte kurz-kompakte Bachelor-Master-Studiengänge (BaMa) gültig sein dürften. Geschwafelt wurde viel von Freiheit, aber noch nie gab es eine solche Zwangswirtschaft: Alle früheren Studiengänge, sie mochten noch so gut gelaufen sein (Diplome, Magister) wurden erst mal verboten. Statt freiem Wettbewerb: Verbote!

Dann wurde die Zwangsjacke von 6 Semester Ba plus 3 Semester Ma aufgeblasen: Jede Menge Module, möglichst viel (abstrakte!) „Didaktik“ und möglichst verquer „interdisziplinär“, alles mit beckmesserischen Credit Points – so dass für das jeweilige Hauptfach kaum noch Zeit übrig ist.

„Erfolg“ natürlich: kleinkarierter Wildwuchs in jeder Blase – nahezu Kollaps der früheren Auslandssemester, völliger Kollaps der Einheit von Forschung und Lehre, wilde Konkurrenzkämpfe auf der Massenflucht der Profs in die wenigen „Exzellenz-Pools“, Abschiebung von 90 Prozent der Studierenden in verschultes und verpunktetes Mini-Quiz-Wissen, das von frustrierten Lehrkräften, die in der Konkurrenz um die „Exzellenz“ auf der Strecke geblieben sind und deren Motivation dabei in die Binsen gegangen ist, widerwillig und zwangsweise „vermittelt“ werden muss – an ebenfalls zunehmend frustrierte Studierende.

10 Jahre später merken alle, dass die Bologna-Blasen geplatzt sind genau wie die Derivate der Banken: Die Studienabbrüche steigen statt zu sinken, die „internationale Durchlässigkeit“ ist aufs Minimum geschrumpft. Studierende und Profs sind so demotiviert wie noch nie. Und „die Märkte“ mögen BaMa auch nicht. All das kann seit dem erfolgreichen Bildungsstreik Mitte Juni nicht mehr unter dem Deckel gehalten werden.

Aber die allerwichtigste Blasenpumpe sonnt sich immer noch im toten Winkel der öffentlichen Aufmerksamkeit: Das Akkreditierungswesen!!

Denn die schlauesten Lobbyisten damals vor 10 Jahren waren die Akkrediteure. Sie ließen sich von den willigen Politiker/innen das Monopol auf die Anerkennung der MaMa-Blasen geben. Sie gründeten flink private Agenturen, und sie entwickelten sich zur wichtigsten „nehmenden Hand“ (Sloterdijk) des „Bologna-Prozesses“. Jede kleine BaMa-Blase wurde von ihnen akkreditiert (und dann regelmäßig reakkreditiert), und für jedes kleine Bläschen kassierten die Agenturen ca. 15000 Euro von den Unis, also aus dem eigentlich für Forschung und Lehre gedachten öffentlichen Eigentum. Wieviele Millionen dabei bisher zusammenkamen und was mit ihnen seither geschah, weiß niemand. Dass das Akkreditierungswesen absurd ist, leuchtet unmittelbar ein: Kann eine „nehmende Hand“ wohl eine „gebende Hand“ objektiv und kritisch beurteilen?

Deshalb: Das absurde Akkreditierungswesen ist die Blase aller Blasen des schon weitgehend geplatzen Bologna-Unfugs. Bevor nicht diese Blase aller Blasen platzt, ist immer noch kein Licht am Ende des Tunnels.

Bitte liebe Bewegung: Nehmt folgende Forderungen in Eure Kataloge auf:

Abschaffung des flächendeckenden Zwangs-Akkreditierungsunwesens (Ersetzuung durch zielführende Peer-Reviews nur, wo es sinnvoll ist).

Auflösung der Akkreditierungs-Agenturen.

Verpflichtung zu nachträglicher völliger Transparenz der Finanzen der Agenturen: Wieviel genau haben sie eingesackt? Wofür haben sie wieviel ausgegeben? Was ist mit dem Rest los?

Rückgabe des Rests an die Unis!

(PS. Hinter vorgehaltener Hand hört man, dass Bertelsmann möglicherweise mit dem Platzen der Bologna-Blase gerechnet hätte – um dann eine neue, diesmal ganz direkt lukrative Blase aufzublasen. Umstellung des gesamten kollabierten Bildungswesens auf E-learning!)

Die Ursprünglichen Chaoten

(Wer sind die Ursprünglichen Chaoten? Sie spielen eine wichtige Rolle in dem Roman von Jürgen Link: „Bangemachen gilt nicht auf der Suche nach der Roten Ruhr-Armee. Eine Vorerinnerung“, assoverlag Oberhausen. Dort ist alles über sie nachzulesen.)

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