24 Jun was bedeutet der welthistorische paarlauf von hannover? nichts anderes als die feierliche inthronisierung deutschlands als weltmacht nummer 2
24. Jun 2019 / Wenn man die Statisten Hollande, Cameron und Renzi an ihrem kläglichen nachmittäglichen Katzentisch hocken sah, konnten sie einem fast leidtun. Da konnte die symbolische Botschaft des Paarlaufs Barack-Angela niemandem mehr unklar sein: Die Supermacht braucht einen Juniorpartner, und der heißt Deutschland. Nicht Japan – vorbei das Gerede vom Pazifik als Meer der Zukunft. Schon mal gar nicht England: Bleibt gefälligst in der GERMROPA-EU, vorbei das Gerede von special relationship. Dieses Blog hatte bisher noch einen leichten Zweifel an der Position „Weltmacht Nummer 2“: Hannover hat ihn beseitigt. Dass insbesondere die deutsche „Linke“ (nicht bloß die Partei) gar keinen Sensus für die damit verbundenen wahrhaft epochalen Tendenzen entwickelt hat, wird nur umso fataler.
ZUM WELT-V-TRÄGER NR. 2 ERNANNT – MIT KAUM MEHR ALS 1 PROZENT DER WELTBEVÖLKERUNG: WER BEZAHLT DIE SPESEN?
Wem ist eigentlich klar, was in dieser Pandorabüchse drin ist, die Obama „uns“ geschenkt hat? Dabei war Obama ganz unmissverständlich: Ihr habt jetzt die Hälfte der „Verantwortung“ für Europa und für die dazu gehörenden Hinterhöfe Afrika und Mittelosten. Ihr seid jetzt großregionaler V-Träger (Verantwortungs-Träger: man lese dazu die Vorerinnerung „Bangemachen gilt nicht…“) – und damit es klar ist und ihr es nicht überhört: Die halbe Welt-Verantwortung bedeutet nicht bloß Ökonomie (Hannovermesse, TTIP), sondern natürlich „Sicherheit“! Bedeutet konkret mehr militärische Verantwortung, fürs erste in folgenden fünf Ländern: Syrien, Irak, Libyen, Mali, Afghanistan. Bedeutet, dass die Bundeswehr in Kürze fünf Kriege gleichzeitig führen soll. Und bedeutet zusätzlich, dass Deutschland die „Wacht am Don“ gegen Russland anführen soll. Und all das ist sündhaft teuer: Der Wehretat steigt und steigt und nähert sich fast schon dem Sozialetat. Griechenland bekommt keinen „Reformrabatt“ – aber die Bundeswehr locker Zigmilliarden.
DAS BEDEUTET ABER AUCH, DASS DIE HEGEMONIE ÜBER GERMROPA HÄRTER WERDEN MUSS
Wie soll das aber dieses „beste Deutschland, das wir je hatten“ (Gauck) mit seinem grade mal 1,2 Prozent der Weltbevölkerung „stemmen“? Es braucht natürlich „socii“ (Hilfstruppen), wie die Römer sagten, oder „Hiwis“, wie es im vorigen Krieg gegen Russland hieß. Bisher funktionierte die deutsche Hegemonie in Europa wie eine starke Hegemonie: Durch eine Mischung aus Verhandlungen, Kompromissen, Vetos und etwas Druck. So wird es künftig nicht mehr gehen: Künftig wird die Hegemonie „hart“ werden müssen: mit Ultimaten und Sanktionen. Und dazu ist die Generalprobe bereits o wie erfolgreich gelaufen: Durch die erfolgreiche Erpressung der ersten Regierung Tsipras und dessen „Bekehrung“ zum willigen Hiwi, der bei BILD und Merkel um ein paar null komma n Prozentpunkte weniger Rentenkürzungen bettelt. (Das ist seine Sache; die Erpresser sitzen in Brüssel und Berlin.) Die härtere Hegemonie bedeutet aber: „Wir“ werden sehr viel „Antigermanismus“ provozieren – zu den bekannten „antiamerikanischen“ werden sich „antideutsche Stimmungen“ gesellen. Das ist eben auch ein burden sharing und eine geteilte Verantwortung.
UND WAS DAS MIT DER AfD ZU TUN HAT.
Der norwegische Friedensforscher Johan Galtung pflegt zu sagen: Bei jedem Gegner gilt es nicht zu verschweigen, in welchem Punkt er recht hat. Selbst Hitler, sagt Galtung, hatte im Punkt Versailles recht. Gerade die „Linke“ muss es sich eingestehen, dass die Popularität des deutschen „Rechtspopulismus“ nicht bloß (wenn auch hauptsächlich) vom rassistischen Ressentiment gegen die Südflüchtlinge stammt. Pegida und AfD sind auch entschiedene Gegner der Gedankenspiele um einen Krieg gegen Russland wegen der Ukraine und der Eskalationspolitik in diese Richtung. Man watscht diese „Stimmung“ (Heinz Bude) als „Putin-Versteherei“ ab. Darin steckt aber eine berechtigte Angst vor den „sicherheitspolitischen“ Konsequenzen der „gewachsenen deutschen Verantwortung“. Darin steckt auch ein Rest von historischer Erinnerung des deutschen Volkes.
WAS TUN?
„Die da oben machen ja doch, was sie wollen“? „Wir können nix machen“? Zuerst können wir die Situation so wie in diesem Blog beschreiben. Daraus folgt ein weiterer (zweiter) durchaus realistischer Schritt: Wir können bereits jetzt simulieren, wie die deutsche hegemoniale „Linke“ („linke“ SPD und „linke“ Grüne sowie „rechte“ Linkspartei) auf die Ernennung zur Weltmacht Nr. 2 reagieren wird: „Da müssen wir mitmachen, Fundamentalopposition bringt nix, wenn wir mitmachen, können wir mitgestalten und das Schlimmste verhindern.“ Wieder muss ich an die Vorerinnerung „Bangemachen gilt nicht auf der Suche nach der Roten Ruhr-Armee“ denken (assoverlag Oberhausen: man kann sie bestellen und lesen). Darin gibt es die „kleinen Wallensteine aus der Emscherzone“. Die Führer des seinerzeitigen pazifistischen Flügels der Grünen. Als es 1999 um 50000 Bombardements gegen südslawische Großstädte, aber auch gegen Prishtina, ging, stimmten diese Pazifisten zu und behaupteten nachher, sie hätten noch viel Schlimmeres verhindert. Wir sollten uns statt dessen den Kopf zerbrechen, wie die „populistische Stimmung“ gegen immer mehr Kriege der Bundeswehr in eine andere Richtung gelenkt werden könnte als zur AfD. Mit welchen diskursiven Mitteln und welchen Medien.
EINE ART „KOPFLANGER-STREIK“?
Brecht nannte die hegemonialen „Tuis“ (Intellektuellen) in Analogie zu den Handlangern: Kopflanger. „Unsere“ Hegemonie brauchte bereits auch bisher viele Kopflanger – künftig aber noch viel mehr. Militärische, „dienstliche“, ökonomische, humanitäre und vor allem bürokratische. Berater und Think Tanker jeder Sorte. Szenarienschreiber und Schreiber von Simulationen (zum Beispiel für die „anstehenden“ Kriege: „Mali-Szenarien“-Schreiber usw.). Hunderte und Tausende deutsche Kopflanger waren und sind bereits tätig von Afghanistan bis zur Ukraine. Aber auch zum Beispiel in Griechenland: Dort sollen jetzt deutsche „Asylfachleute“ bei den Schnellverfahren helfen (nur ein Beispiel). Der „deutsche Sektor“ der „globalen Aristokratie“ (Negri/Hardt) wird weiter steigen „müssen“. Wie, wenn es einen „Kopflanger-Streik“ geben könnte?