„wer trägt die verantwortung?“ – natürlich der v-träger!

23. Nov 2011 / „Wer trägt eigentlich Verantwortung?“ und: „Wo bleibt die Verantwortung?“ Um diese Fragen zu beantworten, organisierte die Fatz eine große „Tendenzwende-Konferenz“ in Berlin (es war die dritte ihrer Art). Neben bekannten Fatz-Leuten wie Nonnenmacher und Kaube wurden „hochkarätige“ Wissenschaftler wie Werner Plumpe und Heinz Bude sowie Politiker aufgefahren. Boris Palmer von den Grünen klagte: „Ich treffe nirgendwo Verantwortliche.“

Das ist kein Wunder, ist der V-Träger (Verantwortungs-Träger) doch keineswegs einfach zu kontaktieren. Dennoch hätten die Fatzleute ihm näher kommen können, wenn sie den Roman „Bangemachen gilt nicht auf der Suche nach der Roten Ruhr-Armee. Eine Vorerinnerung“ gelesen oder wenigstens angezeigt hätten (was zu tun sie sich implizit weigerten). In diesem Roman ist der V-Träger eine der Hauptfiguren. Er ist in Therapie, weil er unter der Verantwortung leidet, manchmal hat er auch eine Art Burnout. Den Ursprünglichen Chaoten, seinen Gegenspielern, ist es aber gelungen, sein Gelaber in der Therapie aufzunehmen – und da erfährt man alles Wesentliche über ihn – auch warum man ihn nicht fassen kann (denn er hat kein Unbewusstes, träumt nie, und wo bei normalen Menschen das Unbewusste sitzt, sitzen bei ihm seine Märkte).

Er trägt schwer unter der Verantwortung, die er einerseits nach unten delegieren muss bis zum Einzelnen Bürger (auch eine Figur im Roman), weil er im Prinzip für Eigenverantwortung des Einzelnen Bürgers ist. Anderseits machen die unteren Verantwortungs-Nehmer, einschließlich der Politiker, mit der Verantwortung Murks, und dann saust die Verantwortung zurück nach oben zum V-Träger. Das ist ein so knochenharter Job, dass er in Therapie muss, um sich aussprechen zu können. Er leidet nämlich auch unter Schlaflosigkeit.

Die Fatz-Konferenz jedenfalls bekam nicht heraus, wo die Verantwortung bleibt und wer sie eigentlich trägt. Werner Plumpe meinte, die großen Gründerkapitalisten des Bismarckreiches wie Krupp hätten noch Verantwortung getragen und viel Geld für Soziales gespendet. Wenn man den Roman „Bangemachen gilt nicht“ gelesen hat, kann  man das sogar verstehen: Verantwortung ist offenbar Geld – und wer viel Geld hat, hat viel Verantwortung, wenn er das Geld auch wieder ausgibt. Aber das wiederum geht nur, wenn dabei mehr Geld wieder reinkommt. „Man tut Gutes, von dem man selbst etwas hat“ (Werner Plumpe). Damit ist auf einen Schlag auch klar, dass Verantwortung auch gleich „Wettbewerbsfähigkeit“ ist. Was aber, wenn beim Ausgeben nicht wieder mehr reinkommt? Dann wird Verantwortung erst richtig knochenhart, weil sie dann Nicht-Ausgeben bedeutet. Dann muss sie nach unten delegiert werden als Eigenverantwortung des Einzelnen Bürgers. Dann müssen die Kleinen (auch die unteren, nicht wettbewerbsfähigen, Länder) gezwungen werden, ihr letztes Geld auszugeben (das ist dann die Eigenverantwortung).

Das hat „meine Politik“, wie der V-Träger im Roman sagt, begriffen. Zum Beispiel Wolfgang Schäuble, der am 22.11.2011 im Bundestag  sein Leitmotiv wiederholte: „Wir haben die Führungsverantwortung in Europa“ – will sagen: Deutschland braucht via Brüssel „Durchgriffsrechte“ in die „Sünderländer“ hinein, die „über ihre Verhältnisse leben“, und das soll jetzt auch in díe EU-Verfassung. Genau das ist im Sinne des V-Trägers selbst, dessen Verantwortung Schäuble übernimmt und für ihn durchsetzt.

Diese hilflose „Verantwortungs-Konferenz“ ist also ein guter Anlass, nochmal die Möglichkeiten zu erwähnen, die die Lektüre der „Vorerinnerung“ bietet: Diese Geschichte vom Kampf der Ursprunglichen Chaoten mit dem V-Träger, die in der Zeit zwischen 1965 und 1995 im Ruhrgebiet spielt, lässt nicht nur nach-begreifen, sondern auch nach-fühlen, wie wir in dieses 21. Jahrhundert gekommen sind, in dem unser (deutscher) V-Träger nun zum drittenmal weltweite Führungsverantwortung trägt (Schäuble). Das ist ja eine eigentlich unglaubliche Geschichte: Wer hätte sie vor 30 oder 40 Jahren für möglich gehalten? Wer außer den Ursprünglichen Chaoten? Die Möglichkeit des Nachfühlens der Aktualgeschichte des V-Trägers wird in dem Roman literarisch angeboten, und kann nicht anders als literarisch eröffnet werden: Mit poetischen Evokationen und satirischen Simulationen (zum Beispiel des V-Trägers).

Wem dieses Blog manchmal was bringt und wer den Roman noch nicht hat, der kann ihn sich vielleicht zu Weihnachten wünschen und/oder selbst verschenken. Die „Dicke“ (der Umfang) sollte nicht abschrecken. Die Vorerinnerung ist übersichtlich in kurze Kapitel gegliedert, so dass man zum Beispiel das Labern des V-Trägers in der Therapie einzeln lesen kann. Auch nicht der Preis (erschwingliche 29,90 Euro).

Also nochmal der Titel: J.L., Bangemachen gilt nicht auf der Suche nach der Roten Ruhr-Armee. Eine Vorerinnerung“. asso-Verlag Oberhausen – über jede Buchhandlung oder über Amazon.

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