wikileaks bestätigt überwältigend den appell „heraus aus der sackgasse in afghanistan“

1. Aug 2010 / Die Veröffentlichung von fast 92000 Geheimberichten von der Afghanistanfront an das Pentagon ist ein außerordentliches, ein wirklich historisches diskursives Ereignis. Wikileaks wird ab jetzt ähnlich von den Diensten gejagt werden wie die „Taliban“ – es wird dann dringend die aktive Unterstützung aller Kriegsgegner/innen brauchen. Dabei ist das Wichtigste (wie auch bei Afghanistan insgesamt) das Problem, wie es erreicht werden kann, die veröffentlichte Meinung zu zwingen, die öffentliche Meinung zu verbreiten.

NICHTS NEUES?

Obama bzw. seine Sprecher behaupteten nach außen, die Dokumente im Netz „brächten nichts Neues“. Das ist in einer bestimmten Hinsicht wahr, in allem Wesentlichen aber falsch. Wahr ist, dass die Struktur des Krieges, der auf den Speerspitzen von „gezielten Tötungen“ und Drohnen beruht, jedem bekannt sein konnte, der seine Augen nicht aus Angst vor den Konsequenzen verkleisterte. Was die Grünen Hindukuschstürmer den Kriegsgegnern vorwarfen, nämlich „wegzukucken“, das haben sie selber praktiziert und praktizieren es selbst jetzt noch, selbst nach Wikileaks, weiter. Einer der vielen Beweise dafür, dass wir die wesentlichen, strukturellen Wahrheiten der 92000 Dokumente bereits vorher wissen konnten, bilden die früheren Einträge dieses Blogs und bildet der Appell „HERAUS AUS DER SACKGASSE IN AFGHHANISTAN!“

ZUR ERSTEN AUSWERTUNG DES „SPIEGEL“

In einer ersten Auswertung (Ausgabe vom 26. Juli 2010) konzentriert sich der „Spiegel“ auf die „Elitekrieger“-Einheit „Task Force 373“ und stellt ihre „Talibanjagden“ mit den „gezielten Tötungen“, in hohem Maße unter Einsatz von Drohnen, dar. Dabei erweckt er mehrere falsche Eindrücke und verschweigt einen ganz wesentlichen Punkt. Falscher Eindruck 1: Die zweifelsfrei zivilen Opfer „gezielter Tötungen“ werden zugunsten angeblich „legitimer“ Ziele total heruntergespielt (nur ein Beispiel eines Massakers an 7 Kindern wird gegeben) – „positiv“ dagegen eine Liste „echter“ Taliban, wenn auch zugegebenermaßen teilweise aus dem „Mittelbau“ der Taliban – „Mittelbau der Taliban“!!! Falscher Eindruck 2: Die Popularität der Taliban beruht auf Geld, das sie bieten. Klar ist: dass die Welt-Junta überhaupt noch Unterstützer findet, beruht auch auf Geld. Geld gegen Geld – aber dann ist da noch der kleine Unterschied muslimische Einheimische gegen christliche Fremde. Falscher Eindruck 3: Eigentlich liegt die miese Lage der NATO trotz überwältigend „effektiver gezielter Tötungen“ daran, dass der pakistanische Geheimdienst ISI und besonders dessen früherer Chef Gul die Taliban unterstützt. Im Vietnamkrieg bekam der „Vietcong“ angeblich entscheidende Unterstützung aus Kambodscha – die USA rückten in Kambodscha ein – und brachten dadurch die Roten Khmer an die Macht.  Falscher Eindruck 4: Die Deutschen sind (mal wieder) ahnungslos – Das wird gemeldet! Herr Lehrer! Die Amis haben das gemacht!

DER WESENTLICHE PUNKT VERTUSCHT: KOLLABORANTEN, INFORMANTEN, DENUNZIANTEN, INFILTRANTEN

Zwar ist auch in den vom „Spiegel“ angeführten Dokumenten selbstverständlich in praktisch jedem Bericht vom „Informanten“ , zuweilen sogar von „Spitzeln“ die Rede. Zitiert wird ein solcher Spitzelbericht, nach dem in Pakistan 45 „Aufständische“ Deutsch lernen würden, um sich dann in  der deutschen Zone als Dolmetscher in die Bundeswehr zu infiltrieren. Was aber, wenn die „Quelle“ dieser Nachricht selbst ein „Infiltrant“ war?! Wenn dadurch das Misstrauen in alle Dolmetscher noch erhöht werden soll? Was also vertuscht wird, ist gerade das Wesentliche: In einem Counterinsurgency-Krieg gegen eine in der Bevölkerung verwurzelte Guerilla ist die fremde Besatzungsmacht auf Verdeih und Verderb auf ein entscheidendes „Kettenglied“ angewiesen, nämlich die Kollaborateure – und denen kann man nie trauen, weil sie mit ihrem Leben spielen. Vor allem: Die Denunzianten können ihre Privatrache durch die fremden Elitekiller ausüben lassen! Dieser Mechanismus des Krieges ist im vorliegenden Blog mehrfach dokumentiert und dargestellt. Fast alle Kollaboranten sind Nicht-Pashtunen, die die Pashtunen hassen und deren Überzahl durch die „Kreuzritter“ dezimieren lassen möchten. Wie Marc Thörner in seinem Buch „Afghanistan Code“ belegt, wurden auch die Opfer des Bundeswehr-Massakers von Yakob Baj vom 4. Septemeber 2009 Opfer eines solchen „gezielten“ Hinweises von Pashtunenhassern. Jedenfalls ist es wirklich unglaublich, wie sich die Dienste und Elitekiller-Einheiten in diesem Krieg 100prozentig auf ihre „Informanten“ verlassen und deren „Hinweise“ im Handumdrehen in Drohnen-Angriffe oder nächtliche Überfälle auf Dörfer „umsetzen“. Dass diese Maschine eben nicht nur in seltenen Ausnahmefällen losschlägt, sondern zur Alltäglichkeit dieses Krieges gehört wie die Drohnen am Himmel, das hat Wikileaks jetzt bewiesen, und das war bisher in diesem Umfang lediglich zu erraten, nicht aber zu beweisen. Nun ist es bewiesen, und das ist neu.

UND DIE BUNDESWEHR: MAL WIEDER SAUBERES DEUTSCHLAND?

Angeblich weiß die Bundeswehr nicht, was amerikanische Elitekiller-Einheiten in ihrer Zone so treiben. Weiß sie auch nicht, was ihr eigenes KSK treibt? Und dass ihr eigener BND intensiv an den c/k-Listen (capture or kill) beteiligt ist? Offenbar möchte die Bundeswehr die Stadt Duisburg im Vertuschen noch übertreffen. Das wird sich aber ebenso wenig durchhalten lassen wie in Duisburg, und das Aufknacken des Vertuschens fängt schon an. Es genügt doch eigentlich die Schlagzeile auf Seite 1 der FAZ vom 5. Juli 2010, die das Fazit eines Interviews mit Minister Guttenberg resümiert:

„GUTTENBERG: NACH ABZUG GEHEIMDIENSTE UND SPEZIALKRÄFTE“

Damit ist auch die Katze des „Umbaus der Bundeswehr“ aus dem Sack: Sie soll eine Weltjunta-Armee „auf Augenhöhe“ mit den USA werden. Die künftigen „Auftragslagen“ werden heißen: Counterinsurgency und nochmal Counterinsurgency. (Daneben natürlich auch weitere Super-Blitzkriege, z.B. gegen den Iran.) Und die Mittel dazu: „Profis“, „Eliteeinheiten“, die sich „keinen Kopp machen“ und die „Spaß am Abenteuer“ haben – und Dienste, d.h. Informantenwesen (mit dem Risiko: Infiltrantenwesen…). „Fascio di combattimento“ könnte man auch gut mit „Elite-Kampfeinheit“ übersetzen.

ALSO BESTÄTIGT: EXTERMINISTISCHE KRIEGFÜHRUNG (GEZIELTE KILLUNGEN NACH UNKONTROLLIERBAREN DENUNZIATIONSLISTEN; DROHNEN), WELT-JUNTA-SPIELEN

Wer den Appell Heraus aus der Sackgasse in Afghanistan, dessen Besonderheit eben darin lag und liegt, dass er diese Aspekte beim Namen nennt, noch nicht unterzeichnet hat, dies aber jetzt tun möchte, hat dazu jederzeit die Möglichkeit. Und was wäre „objektiv“ jetzt das wichtigste, nächste und erreichbare Ziel?

DIE GRÜNE FÜHRUNG ZU ZWINGEN, IHREN KRIEGSKURS ZU REVIDIEREN UND DEN SOFORTIGEN ABZUG ZU UNTERSTÜTZEN.

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