bildungsministerin wanka will flüchtlingskrise mit normalismus-tv lösen

31. Okt 2015 / Aus einem Interview mit Bildungsministerin Johanna Wanka (WAZ 31.10.2015): „Das muss nicht gleich ein neuer Sender sein. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass es neue Sendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen oder auch Radio gibt, die sich speziell an Flüchtlinge richten und einen Beitrag zur Integration leisten. Solche Programme können demonstrieren, was in Deutschland normal ist, etwa die Gleichberechtigung von Frauen und Männern.“

Diese Auskunft hat den Vorteil, dass sie korrekt feststellt, es gehe letztlich bei den „Integrationsproblemen“ nicht bloß um Normativität, sondern um Normalität. Dazu die Normalismustheorie, die diesem Blog zugrunde liegt. Zu dieser Theorie gehört es allerdings auch, das herrschende System abgestufter Normalitätsklassen auf globaler Ebene zu berücksichtigen: die herrschende Einteilung der Welt in fünf regionale Klassen mit verschiedenen Standards an „Normalität“: drei oder vier „Welten“, wobei aber die „Dritte Welt“ aus drei Normalitätsklassen besteht: Schwellenländer, Durchschnittsländer der Dritten Welt und „Least Developed Countries“. Gerade haben wir erlebt, wie Griechenland von Schäuble und Merkel brutal von Normalitätsklasse zwei nach drei minus heruntergestuft wurde – zur Strafe für die Wahl einer nach „deutschen“ Maßstäben „nicht normalen“ Regierung. (Diese Herabstufung durchzusetzen, dauerte ein halbes Jahr, während dessen die Massenflucht über Griechenland medial ausgeblendet wurde: Erst Tsipras kaputt kriegen – aber während dieser Zeit war der „Stöpsel von der Flasche“, wie Seehofer sagte.)

Und nun musste die Massenflucht teilweise nach Deutschland, also nach Normalitätsklasse eins, hereingelassen werden, weil die Alternative – Hunderttausende zwangsweise nach Griechenland zurückzutreiben, wohin sie nach den EU-Regeln von Schengen-Dublin eigentlich „gehören“ – ganz Europa in einen Kriegszustand gestürzt hätte, wie Angela Merkel bzw. ihr Entscheiderteam (wenigstens!) richtig erkannten. Nun aber heißt es „kanalisieren“, d.h. die Flüchtlinge nach ihrer Integrationsfähigkeit für Normalitätsklasse eins sortieren und die „integrationsunfähigen“ (oder „unwilligen“) zurückzuschieben – wenn es nicht „tiefer“ geht, nach Griechenland.

Das ist der Kontext des Interviews von Johanna Wanka – die Lage ist also schwieriger, als es erscheint. Die Emanzipation der Frau ist in der Tat Grundbedingung nicht nur der deutschen Normativität, sondern auch Normalität. Saudi-Arabien („unser“ enger Bündnispartner) ist trotz seines Reichtums Normalitätsklasse drei, weil dort die Frauen nicht einmal Auto fahren dürfen. Die Flüchtlingsmassen stammen aus verschiedenen, auch untersten Normalitätsklassen (Afghanistan gehört – das hat die Bundeswehr nicht nur nicht verhindert, sondern umgekehrt verstetigt – zur untersten Normalitätsklasse fünf) – sie sollen nun nach Klassen sortiert und „rückgeführt“ werden. Sofern das nicht geht, sollen sie also in Normalitätsklasse eins „integriert“ werden. Per Normalisierungs-TV – wieviele Sprachen braucht es?

Die Wahrheit über die „Flüchtlingskrise“ ist also die: Das Jahr 2015 markiert den Kollaps des Systems der Normalitätsklassen – sie bekommen den „Stöpsel“ nicht wieder auf die „Flasche“ – auch nicht mit „Flüchtlings-TV“.

Tags: