john kornblum bestätigt das projekt „bangemachen“

6. Jan 2017 / Das deutsche TV-Publikum kennt ihn gut: Den jovialen Mr. USA aller Talkshows und früheren Botschafter in Berlin John Kornblum. Er hat nun in der FAZ (5.1.2017) eine Art Appell an „Deutschland“ gerichtet („Präsident Trump: Europe’s Last Chance?“). Er äußert dort Besorgnisse gegenüber dem „Populismus“ Trumps und sieht eine „Zeitenwende“, einen „Bruch mit der Vergangenheit“ und ein „neues Zeitalter“ am Horizont. Wie immer vertritt er dabei Interessen der USA („wenn ich das als Amerikaner sagen darf…“), wenn er an Europa und Deutschland appelliert, Trump sozusagen zu kompensieren. Und was dann kommt, ist für Leserinnen des vorliegenden Blogs sehr bekannt:

„DEUTSCHLAND“ ALS EUROPAS UND AMERIKAS „LETZTE CHANCE“!

Es wurde oft genug hier gesagt: Das Projekt „bangemachen“ möchte nichts doublen, das sowieso massenhaft in anderen Medien diskutiert und kommentiert wird. Das betrifft auch sehr richtige, aber mindestens in der breiteren Dissidenz allgemein geteilte Kritiken wie an dem sogenannt neoliberalen Kapitalismus, am Sexismus und am Rassismus und vielem anderem. Dieses Blog versteht sich als Stimme des sonst nicht Gesagten (bzw. nur selten Gesagten). Genauer des nicht genug Gesagten, aber strukturell äußerst Wichtigen. Genau solche Punkte werden in Kornblums Aufruf dankenswerterweise im Klartext formuliert.

ERSTE BESTÄTIGUNG: DEUTSCHLAND BZW. GERMROPA (NICHT EIN UNDEFINIERBARES „EUROPA“) IST WELTMACHT NR. 2 UND WICHTIGSTER PARTNER DER USA BEI DER WELTKONTROLLE

O-Ton: „Für die meisten in Europa und Amerika gibt es nur ein Land, das in Europa und transatlantisch eine konsequente Alternative zum Populismus durchsetzen kann. Es gibt nur ein Land und eine führende Persönlichkeit, die dieser Aufgabe gerecht werden: Deutschland und Angela Merkel.“ Diese These ist deshalb so wichtig, weil sie enorme Konsequenzen hat – weshalb auch der größte Teil der „Linken“ ihr lieber ausweicht. Denn sonst müsste man ja eine Alternative für einen Verzicht auf Weltmachtstellung konkret formulieren und verbreiten.

ZWEITE BESTÄTIGUNG: STATT „FÜHRER“ – „VERANTWORTUNG“

O-Ton: „Nur Deutschland ist darüber nicht so glücklich. Vielleicht hilft es, die neue Rolle zu verstehen, wenn man den Ausdruck ‚Führung‘ durch das Wort ‚Verantwortung‘ ersetzt.“ Klar: Führung und Führer hat hierzulande einen Beigeschmack – wenn es unumgänglich ist, wird deshalb leader und leadership gesagt (lead Nation usw.) – oder eben (es muss doch auch ein deutsches Wurzelwort geben!) – „Verantwortung“. Wann wird wohl eine Leserin dieses Blog dazu veranlasst, den Roman „Bangemachen gilt nicht auf der Suche nach der Roten Ruhr-Armee. Eine Vorerinnerung“ zu bestellen – in dem der deutsche V-Träger = Verantwortungs-Träger eine der Hauptfiguren darstellt und in dem sein dritter Versuch erzählt und simuliert wird? Ansonsten rennt Kornblum hier offene Türen ein: Längst haben die deutschen Spitzenpolitiker aller Parteien die Ersetzung von Führung durch Verantwortung vorgenommen: Von Gauck über Leyen bis zu Steinmeier. Alles in diesem Blog dokumentiert (zurückscrollen). Dabei wird auch klar, was Kornblum höflich verklausuliert („Sicherheitspolitik“): Verantwortung bedeutet insbesondere Teilhabe am World-Cop, also Kriege in aller Welt.

DRITTE BESTÄTIGUNG: „NORMALITÄT“

O-Ton: „Gebraucht werden Strategien und Systeme, um Probleme wie den Euro, die Flüchtlinge oder die Umwelt unter Kontrolle zu bringen. Für einen solche Rolle ist die moderne Bundesrepublik gut ausgerüstet. Es ist aber ein Land, das sich seit beinahe 70 Jahren [seit 1947?!] bemüht, so ’normal‘ wie alle anderen zu sein, und das sich schwer damit tut, sich in die Verantwortung [!] für die ‚Normalität‘ anderer einzufügen. Es fehlt ihm noch an der Selbstsicherheit [!], unter den neuen Bedingungen einer globalisierten Kultur des 21. Jahrhunderts frei aufzutreten.“ [„frei aufzutreten“!] Nachdenkenswert die Formulierung (falls kein Übersetzungsfehler): „Verantwortung für die Normalität anderer“ – wörtlich hieße das, dass Deutschland andere normalisieren muss (eventuell sogar Trump?)

VIERTE BESTÄTIGUNG: ANTEIL DER KULTUR AM „DRITTEN DEUTSCHEN VERSUCH“

O-Ton: „Deutschland soll nicht eine Großmacht im herkömmlichen Sinne sein. Stattdessen könnte das Land etwas sehr viel Wichtigeres werden: ein integrierender Knotenpunkt für eine neue Art von Wirtschafts- und Sicherheitspolitik; ein Bindeglied für Informations- und Logistiknetze, das die eurasische Landmasse [die eurasische Landmasse!] auch über den Atlantik mit Nordamerika verbindet.“ Also Großmacht im „nicht-herkömmlichen“ Sinne. Das wird kaum konkret (abgesehen von der Verantwortung gleich für die ganze „eurasische Landmasse“) – es ist aber konnotiert: Ganz sicher gehört dazu auch Angela Merkels realexistierende „Willkommenskultur“, anderes gesagt die Meisterschaft in Tartufferie (siehe frühere Blogeinträge) – und sicher auch die „Kultur“ (die Akkorde und Kadenzen des „Abendlands“). Vielleicht sollten wir uns langsam ein bisschen für die deutschen globalen Thinktanks und die anderen deutschen Tuis und Beamten in aller Welt, mit Negri und Hardt gesprochen, den deutschen Anteil an der globalen Oligarchie interessieren.

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