der samaras-baltakos-skandal: auch ein skandal der deutschen medien

4. Apr 2014 / Um zu verstehen, warum seit dem 1. April (aber alles andere als ein Aprilscherz) der „Samaras-Baltakos-Skandal“ die Schlagzeilen der griechischen Medien macht, stelle man sich folgendes Szenario vor: Im Bundestag gibt es eine NPD-Fraktion. Gegen führende Funktionäre der NPD ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Verwicklung in einen Fememord an einem dissidenten Rapper sowie Bildung einer kriminellen Vereinigung. Nun veröffentlicht der Pressesprecher der NPD, der neue Goebbels, ein Video, dass ihn (den neuen Goebbels) im freundschaftlichen Gespräch mit dem Chef des Kanzleramts einer Großen Koalition zeigt. Sie reden ganz entspannt unter Männern im zynisch-machistischen Ton: „Fick den Innenminister, diesen Wichser!“ – „Sie haben keinerlei Fakten gegen Euch, sie halten euch für Heiden und Unchristen. Außerdem neiden sie euch eure Stimmen, die sie selber einsacken wollen, diese Wichser.“ Und der/die KanzlerIn? „War in den USA beim Zionistischen Weltkongress, dem hat er (sie) versprochen, dass ihr von der Bühne verschwindet.“ usw.

Nun ersetze man NPD durch Chrisí Avgí („Goldene Morgenröte“), den neuen NPD-Goebbels durch den realexistierenden neuen Goebbels Kasidiaris, und den Chef des Kanzleramts durch den realexistierenden Generalsekretär der Regierung der realexistierenden Großen Koalition Samaras-Venizelos, namens Baltakos – und man hat das dokumentarische Video. Einer der engsten Vertrauten von Samaras erweist sich als enger Kumpel der Neonazis. Er musste natürlich zurücktreten und Samaras bestätigen, dass der nichts geahnt habe. Selbst erklärte er die Sache mit seiner „Gutmütigkeit“ („agathós“: im Altgriechischen der Begriff für aristokratische „Güte“).

Und nun der zweite Skandal: Bisher (4.4., 16 Uhr 30) berichteten von den deutschen hegemonialen Medien nur die taz und der Focus über diesen „Vorfall“ – alle anderen „großen“ Medien (inclusive TV) schweigen. Nicht dass sie Griechenland „nicht mehr auf dem Schirm“ hätten: In der WAZ z.B. steht heute ein großer Artikel mit dem Titel „Griechenland ist über den Berg“, in dem dem Land ein „Aufschwung“ und ein „Wachstum“ bescheinigt wird, das man bisher bloß für irgendwann im laufenden Jahr simuliert. Und ohne natürlich zu erwähnen, dass die Arbeitslosigkeit bis Oktober weiter angestiegen ist und also (Winter) für die nächsten statistisch auszuwertenden Monate vermutlich noch „zulegen“ wird. Und ohne zu erwähnen, dass Griechenland durch Samaras-Venizelos-Baltakos auf Dauer um eine ganze Normalitätsklasse herabgestuft bleiben soll (für die halbe Bevölkerung ohne Krankenversicherung usw.). Gerade hatten Samaras-Baltakos noch die Milchpreise „reformiert“: Die Definition von „Frischmilch“ wurde von 1 auf 2 Wochen ausgeweitet, so dass z.B. auch Milch aus Deutschland künftig in Griechenland als „Frischmilch“ verkauft werden kann (Feta kommt sowieso schon meistens aus Bayern).

Verschwörungstheorie hin und her – die Redaktionen müssen die Meldungen der Agenturen über Baltakos gesehen und also politisch entschieden haben, dass dieses Ereignis für die einfachen Leserinnen „zu komplex“ ist. Wie begründete doch der BundesGAUCKler bei seinem Staatsbesuch in der Schweiz seine Vorbehalte gegen die direkte Demokratie? Sie könne bei „komplexen Sachverhalten“ nicht funktionieren. Deshalb sei er ein „überzeugter Anhänger der repräsentativen Demokratie“ – damit sei Deutschland sehr gut gefahren.

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