19 Apr diw kneift und erklärt damit die denormalisierung
19. Apr 2009 / Am 14.4.2009 legte das „hoch renommierte“ DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) ein bizarres Osterei: Es erklärte, für 2010 keine Prognose abgeben zu wollen, um „das Volk nicht zu verwirren“ (DIW-Chef Klaus Zimmermann zum „Tagesspiegel„). Das ist, normalismustheoretisch betrachtet, ein enormes Ereignis! Was ist denn nochmal die Funktion der hochbezahlten und subventionierten Wirtschaftsexperten? Warum überhaupt das pausenlose Beschallen der Öffentlichkeit mit Prognosen? Um den „Wirtschaftssubjekten“, allen voran denen an den Börsen, die Sicherheit zu geben, dass auf jeden Fall mindestens alles „normal weiterläuft“. Zur Normalität gehört mindestens die Kontinuität des Prozesses, „daß es so weitergeht“, wie Walter Benjamin sagte. Dass kein Bruch, keine Unterbrechung, kein Riss entsteht. Das Risiko eines Bruches lauert vor allem beim Übergang von der Gegenwart in die Zukunft, weil die Zukunft ja erst dann wirklich real sein kann, wenn sie Gegenwart, also keine Zukunft mehr ist. Deshalb die ganze Prognostik: Auf der Basis eines enormen Apparats von Verdatung und Statistik werden die Verlaufskurven über die Linie Gegenwart/Zukunft hinaus tief ins Terrain der Zukunft weitergezogen. Und auf diese weitergezogenen Kurven schauen „die Märkte“ und „orientieren sich“ daran.
Und nun kneifen die Experten! Um „das Volk nicht zu verwirren“! Zimmermann machte den Eindruck, dass ihm der ganze Job keinen Spaß mehr macht. „Schon in normalen Zeiten“, gab er wiederholt zu Protokoll, hätten es die Experten wahnsinnig schwer. Und nun seien die Zeiten nicht mehr normal (das sagte er aber nicht laut). Er erklärte also die Denormalisierung, so wie man einen Krieg erklärt. Er erklärte den Bruch, den Riss und den Verlust der Kontinuität, also des „Bodens“ der „Märkte“ – zur gleichen Zeit, in der andere Experten täglich ein paarmal das Stichwort „Bodenbildung“ an die Märkte geben. Alles sehr paradox.
Dabei ist klar, dass die Experten zuerst wie immer gerechnet haben: Ihre Resultate hätten sie, wenn sie einigermaßen zu Optimismus Anlass gegeben hätten, ganz sicher nicht unterdrückt. Also gaben sie zu Pessimismus Anlass. Das kann sich jeder an den fünf Fingern abzählen. Mit der Selbstzensur hat das DIW sich also offen von jeder wissenschaftlichen Redlichkeit abgemeldet und sich als Institut „für normalistische Volksaufklärung und Propaganda“ geoutet und gleichzeitig den Bankrott erklärt: Es will der Normalität nicht schaden und erklärt offen die Denormalisierung!
Ehrlicherweise hätte das DIW seinen Laden also dicht machen und seine Subventionen zurückgeben sollen. Dass ihm eine solche Konsequenz natürlich völlig fernliegt, könnte bald eine Volksstimmung gegen „die Experten“ auslösen wie zuvor schon gegen „die Banker“. Dabei braucht das „Volk“ gute Experten, die aber eben statt dem normalen Kapitalprozess bzw. dem kapitalistischen Normalismus (wie kriegen wir die Profitrate wieder hoch?) den Interessen des Volkes dienen sollten. Wäre eine volldemokratische Expertengewerkschaft mit einer Art hippokratischem Eid nicht auch eine „Option“?