jetzt wird es spannend: schafft es die ruck-bewegung für mitte und normalität?

27. Mrz 2017 / Der Trump-Effekt heißt auf dieser Seite des Atlantiks: Wir wollen unsre alte normale Mitte wiederham! Wenn Trump Populismus bedeutet, dann wollen wir sowas auf dieser Seite des Atlantiks nicht. Und zwar natürlich keine von beiden „Populismen“: Weder AfD noch Lafontaine (an der Saar), sondern endlich wieder zwei Mitten: Rechte Mitte und linke Mitte. Was heißt „Schulz-Effekt“ anderes als: Es soll wieder einer richtige linke Mitte geben, die mit der rechten Mitte von Merkel auf Augenhöhe verhandeln kann, auch wenn sie der kleinere Partner bleibt. Damit wäre das Rätsel mindestes zum Teil erklärt, wie ein hierzulande Unbekannter (was er in Brüssel getrieben hat, etwa in dem berüchtigten heimlichen „Trialog“, in dem zwischen Kommision, Rat und Parlament die Abstimmungen des letztgenannten vorhergemanagt werden: streng geheim!  ohne Protokoll! – das wollen wir alles gar nicht so genau wissen) – wie dieses hierzulande unbeschriebene Blatt ein „Effekt“ werden kann: Egal wie und was, wir brauchen wieder eine normale linke Mitte! Merkel „nimmt die Menschen mit“ – Schulz „nimmt den einzelnen Menschen mit“ – wenn das keine klare Alternative ist.

Die Reise „der Menschen“ und „des einzelnen Menschen“ geht zum gleichen Ziel: mit der Bundeswehr nach Mali und sonstwohin

Wohin Merkel die Menschen und Schulz den einzelnen Menschen mitnehmen wird, ist allerdings völlig klar: Nicht nur nach Afghanistan, Mali und Irakisch-Kurdistan, sondern in die ganze „Sahelzone“, und vermutlich auch „am Boden“ nach Syrien („in der Luft“ sind „wir“ dort ja schon). Denn egal ob als „die Menschen“ oder als „der einzelne Mensch“ – „unsere Verantwortung ist nun mal gewachsen“. Aber solche Fragen in der Mitte zu stellen, würde Unruhe stiften, den Optimismus eintrüben und Populisten Vorwände für Störungen der Normalität liefern. Das wollen wir nicht, wir wollen unsre alte normale Mitte wiederham! Wir marschieren jetzt optimistisch bei „Pulse of Europe“ und bald bei „March for Science“ oder wie es heißt, gegen trumpmäßige Fake News. Vorher in unserer alten Normalität der Mitte haben doch immer nur Fakten gezählt – das soll wieder so sein wie früher! Wieviel die nächsten Verteidigungsetats jährlich steigen werden (abgesegnet von beiden Mitten) – das wollen wir gar nicht so genau wissen, das sind keine relevanten Fakten.

Zurück zur Doppel-Mitte-Normalität: Geht aber nur, wenn die Krise weg ist – also soll sie weg sein!

Ist die große Krise von 2007ff., die nun bald 10 Jahre alt wird – ist diese „Krisenlawine“ von Immobilienkrise, Finanzkrise, Bankenkrise, Konjunkturkrise, Wachstumskrise, Eurokrise, Griechenland- und Mittelmeerkrise, BRICS-Krise, Nullzinskrise, Flüchtlingskrise, schließlich Populismuskrise – ist die nun eigentlich endlich vorbei? Hillary Clinton führte ihren Wahlkampf mit diesem „Evangelium“ (frohe Botschaft, englich Good News): Krise vorbei, Vollbeschäftigung, Jobwunder. Und dann gewann Trump mit seinen alternativen Fake News, dass das Jobwunder aus ständig zu wechselnden Billigjobs bestände, was kein Mensch aushalten könne, besonders kein nicht mehr ganz junger, usw. Und Nobelpreisträger Angus Deaton unterstützt das (unverantwortlich) mit einer Studie, die nachweist, dass erstmals überhaupt in den USA und im reichen Westen (so wie in der Post-Sowjetunion nach deren Kollaps) die Lebenserwartung einer nach Millionen zählenden Population (der „weißen Arbeiter“) gesunken ist, die Suizidrate gestiegen – wie in Russland aufgrund von Alkoholismus und Drogenkonsum. „Deaton sagt, Oxycontin [ein Antidepressivum] sei praktisch Heroin in Pillenform mit einem Siegel der Gesundheitsbehörde“ (Obamacare? FAZ 25.3.2017) Wie also, wenn Trump als anormaler Narzisst und „Chaot“ lediglich ein Symptom wäre, dass die Krise tatsächlich noch nicht vorbei ist?

Es scheint, als ob Trumps „Befreiungsschlag“ ins Wasser schlüge – was, wenn auch der Befreiungsschlag unserer Doppelmitte die Krise nicht beendet?

Trump gewann, weil er im Wahlkampf behauptete, dass die Krise nicht zuende sei. Er versprach dann einen Befreiungsschlag in Kapitalismus pur – ein Bündel von tollen Deals -, um die Krise auf einen Schlag wirklich zu beenden und gute amerikanische Jobs zu schaffen. Es sieht momentan nicht so aus, als ob er „liefern“ könnte. Trump hat sich symbolisch sozusagen als „extrem“ dargestellt – man nennt das seinen Populismus. Jedenfalls nichts mit Establishment und Mitte (Mitte ist in den USA sowieso nicht das Nonplusultra der Politik und der Kultur). Bei uns dagegen gilt der Befreiungsschlag, den die Schulzfans genauso wie die Merkelfans an der Saar wie auch die „Pulse“-Bewegten fordern, der Mitte. Ein paar Ruckreden der Mitte, viel Optimismus und „Freude“, und wir können die Krise abhaken!  Das erstaunlichste Phänomen dieser Mitte-Ruck-Bewegung ist nicht Rutte in den Niederlanden, sondern Macron in Frankreich. Dort galt seit 1789 die Regel, dass du klar Rechts oder klar Links sein sollst – und dass die Mitte ein Sumpf ist. Dagegen schlägt Macron einen zweifellos bewundernswerten Befreiungsschlag für die Mitte pur à l’allemande – er bekennt sich zum Modell Deutschland und zu Angela Merkel – sicher wird er das mit Martin Schulz ergänzen. Und es funktioniert erstmals in Frankreich: Sowohl die Sozialisten von links wie die Konservativen von rechts laufen ihm in Scharen zu – immer auf einen Linken ein Rechter und umgekehrt, so dass Macron immer mittiger wird, so mittig wie nicht einmal Merkel, geschweige denn Schulz. Es wird also spannend: Entweder schaffen es diese Mitterucks, die Krise endgültig zu überwinden – oder nicht. Was aber dann?

Was aber, wenn sich die Krise durch den bloßen Willen zur Mitte nicht wegkriegen lässt?

Der IS wird vermutlich eines nicht zu fernen Tages wegzukriegen sein – aber auch das seit den Bushkriegen angerichtete Chaos und Elend im mittleren Osten?  Und auch das wachsende Elend und Chaos in der Türkei? Und also die Flüchtlingskrise? Und die Wachstumskrise, und die Nullzinskrise, und die Mittelmeerkrise, und die BRICS-Krise?  Wird das alles verschwinden vor dem massiven Optimismus der linken und rechten Mitte und des „Pulse of Europe“? Wenn nicht, wird mindestens eine weitere Krise zurückkehren: die Populismuskrise.  Es wird dann darauf ankommen, ob es einen Linkspopulismus geben wird und ob er stärker sein wird als sein nationalistischer und rassistischer Gegenfüßler.

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