„querfront“ – uralter hut einer „postdemokratisch“-reaktionären „mitte“

12. Dez 2015 / Es kann angesichts der großen Denormalisierung des szientistisch-kapitalistisch-militärisch-medial-normalistischen Kombinats nicht verwundern, dass auch das normalistische politische Links-Rechts-Mitte-Extreme-System unter Stress steht und sich vor Brüchen fürchten muss. Genauso wenig kann es verwundern, dass seine Kopflanger, wie Brecht sie nannte, in Panik nach „mittestärkenden“ Schlagformeln suchen. Dabei greift die Große Medien-Koalition von BILD und SPIEGEL auf uralte, ausgelatschte Hüte zurück, denen sie aber neue Etiketten aufklebt. Herfried Münkler verkauft den alten Hut des Anti-Guerillakrieges mit dem neuen Etikett des „asymmetrischen“ Krieges. Und andere, darunter jetzt prominent der SPIEGEL, kommen uns mit der „Querfront“. Unter diesem Etikett steckt der besonders alte Hut von der „wehrhaften Mitte-Demokratie“ und der angeblichen Gleichheit von Links- und Rechtsextremismus. Obwohl längst ad absurdum geführt, wird uns wieder die These aufgetischt, die Weimarer Republik sei nicht an der kapitalistischen Krise, der Revanchewut der deutschen ökonomischen und besonders militärischen Eliten und der reaktionären Wut der großen Massenmedien des Hugenbergkonzerns, schließlich der Entscheidung der Eliten für Hitler, zugrunde gegangen – sondern „am Aufschaukeln der Radikalen von rechts und von links“. Angeblich waren antisemitische Faschisten gleich antimilitaristischen Kommunisten. Dass die KPD und die damalige Dritte Internationale der Nazipropaganda nichts Erfolgreiches entgegenzusetzen hatte, ist unbestritten – aber was war mit den „Demokraten der Mitte“, die die Brüningsche Verelendungspolitik durchzuziehen versuchten?

Heute ist dieser alte Hut noch grotesker: So entblödet sich der SPIEGEL-Kommentator Alexander Neubacher doch tatsächlich nicht, „Pazifisten“ (als „Linksextreme“) gleichzusetzen mit Neonazi-Brandanschlägern (als „Rechtsextreme“)! Darauf klebt er dann das „neue“ Etikett der „Querfront“. Das gleiche rein formale Spielchen wird mit der angeblichen „Gleichheit“ von „Links- und Rechtspopulismus“ gespielt: Ablehnung von Spardiktaten à la Brüning (etwa in den Mittelmeerländern) und abenteuerlichen Hochrisikokriegen soll „linkspopulistisch“ sein und also gleichzusetzen mit Rassismus und Neofaschismus („rechtspopulistisch“). Wer kurz durchatmet und überlegt, erkennt: Dieses Spielchen dient dazu, eindeutig „rechte“ Inhalte (wie Antiguerillas in der Dritten Welt oder eben Brüning-Verelendungs-Diktate) als „Mitte“ auszuflaggen und dem Volk unterzujubeln. Genau an diesem Spielchen aber ist die Weimarer „Mitte“ zugrunde gegangen! Wenn es einen Grund zur Sorge gibt, dann den – dass wieder (wie in Weimar) der „Rechtspopulismus“ den „Linkspopulismus“ überrollt (wie leider schon in Frankreich) – warum? Weil der „Linkspopulismus“ weitgehend vor der reaktionären „Mitte“ kapituliert hat (oder zu kapitulieren droht) und damit dem „Rechtspopulismus“ die antikapitalistischen Trümpfe ausliefert (wie leider schon in Frankreich).

In dem Roman „Bangemachen gilt nicht auf der Suche nach der Roten Ruhr-Armee. Eine Vorerinnerung“ ist all das längst vorerinnert. Das Rechts-Links-Mitte-Extreme-Spielchen wird in einer satirischen Episode verspottet (S. 543 ff.: „Auf dem Spielplatz selber hatten wir jetzt anschließend das simulierte Training des Verantwortungs-Trägers ‚Marsch ab durch die Mitte‘ inszeniert“ usw.). Das wäre ein Weihnachtsgeschenk mit viel amüsanten politischen Verfremdungen.

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